UK Boberg: Inklusion als Alltagsziel: Im deutschen Straßenbild soll niemand ausgegrenzt werden

Dass auch Menschen mit Behinderung in Europa anders leben, anders eingebunden sind, als in vielen Ländern Asiens, Afrikas oder auch Lateinamerikas, erfuhren 16 unbegleitete Flüchtlinge bei einem Besuch des Unfallkrankenhauses Boberg.

Ahmed ist hochkonzentriert. Es bereitet ihm Mühe, einen Rollstuhl, in dem er erstmals in seinem Leben Platz genommen hat, mit der Kraft seiner dünnen Arme eine Rampe hinaufzusteuern. "Lehn' dich nicht zurück, sonst kippst du nach hinten", warnt Malte Wittmershaus, Sportkoordinator am UK Boberg. Der 17-Jährige beugt sich ein wenig nach vorn.

"Schon toll, wie diese Jugendlichen bereits nach einem halben Jahr in Deutschland unsere Sprache verstehen", sagt Wittmershaus anerkennend. Und sie sprechen sie auch: "Der Rollstuhl ist wirklich schwierig, besonders die Koordination macht mir Probleme", bekennt der Palästinenser. Dass er so gut Deutsch spricht, dafür hat er eine Erklärung: "Ich möchte einen Realschulabschluss machen."

Nach Deutschkursen besuchen die Jugendlichen alle eine Berufsschule. Über diese ist auch der Kontakt zum UK Boberg zustande gekommen. Ziel: Die jungen Ausländer sollen erfahren, dass Menschen mit Behinderung in Deutschland zum Straßenbild gehören, keinesfalls versteckt werden. Ein sichtbares Kennzeichen sind Rollstuhlfahrer.

"Wenn ich denke, dass sich Menschen ihr ganzes Leben so bewegen, habe ich großen Respekt vor ihnen", sagt Elvis (16). Der junge, kräftige Südamerikaner mit schwarzer Baseball-Mütze ist außer Atem, nachdem er den Rolli-Parcours des Querschnittgelähmtenzentrums am UK Boberg absolviert hat. "Das ist wie Sport machen - nach 15 Minuten bin ich total fertig."

Nach Mobilitätstraining und Alltagssituationen, etwa das Bewältigen eines abschüssigen Weges, hat Malte Wittmershaus noch Rollstuhlbasketball angesetzt. Außer als Sportkoordinator am UK Boberg ist er in gleicher Funktion auch beim Deutschen Rollstuhl-Sportverband tätig.

Ihn unterstützt Philipp Baah-Opong. Der Schwarzafrikaner bewältigt mit seinem Rollstuhl Treppen, enge Kurven und den Übungsparcours, als sei dies alles ein Kinderspiel. "Ich bin vor neun Jahren aus Ghana nach Deutschland gekommen, zwei Wochen später hatte ich einen Unfall, seitdem sitze ich im Rollstuhl." Der 40-Jährige lächelt dabei, in seinen Worten schwingen weder Verbitterung noch Selbstmitleid mit. Heute ist er als Trainer für Querschnittgelähmte in Boberg tätig, ist für viele ein Vorbild, wie sich auch ein Leben im Rollstuhl meistern lässt. Wittmershaus: "Philipp als Ansprechpartner zu haben, ist mit Gold nicht aufzuwiegen. Er kann aus eigener Anschauung Tipps geben, wie akute Probleme und die Schwierigkeiten des Alltags zu bewältigen sind."