Bergedorf/Billbrook. Das “Bumm! Bumm! Bumm!“ des Schlagzeugs kommt gedämpft, aber vernehmlich aus dem Obergeschoss. Anderswo würde ein Nachbar wohl irgendwann zum Besenstiel greifen und entnervt an die Decke klopfen.

Doch hier, in einer alten Fabrik mitten im Gewerbegebiet Billbrook, fällt so ein bisschen Schlagzeuggetrommel in die Kategorie "leise" - und Nachbarn gibt es ohnehin kaum. Die "Soundfabrik" ist einer der größten Vermieter von Musikproberäumen in Hamburg, gleichzeitig aber viel mehr als das: Die Chefs, der Bergedorfer Stefan Kazankaya (47) und sein Ex-WG-Kumpan Achim Sommer (49), haben hier in jahrelanger Eigenarbeit einen Künstlertreff für Musiker, Musikproduzenten und andere Kreative geschaffen. "Hier kennt jeder jeden, wir sind wie eine Familie", sagt Kazankaya.

Stolz bietet der 47-Jährige mit klirrendem Schlüsselbund eine Führung durch "seine" Fabrik an. Auch wenn an diesem Morgen in den Proberäumen nicht viel los ist. "Die meisten Musiker kommen abends oder am Wochenende", sagt Kazankaya. Nur im "Off-Ya-Tree-Studio", das sich in der Branche bereits einen guten Namen gemacht hat, tüfteln Studiomitarbeiter Bente Faust (36) und Lesley Farfisa von der Band "Der Fall Böse" gerade an neuen Songs. Manch ein Kaffeebecher wurde schon geleert. Ein Stockwerk tiefer klampft eine Nachwuchsband. Und irgendwo hämmert das Schlagzeug.

In den 1990er-Jahren hatte Stefan Kazankaya - ehemaliger Betreiber einer Bootsvermietung am Schillerufer - mit seinem Musikerfreund Achim Sommer selbst einen Proberaum gesucht. "Das Raumangebot damals war schrecklich", erinnert sich der Bergedorfer, während er noch ein paar Türen aufschließt und den Blick in rauchgeschwängerte Tonstudios und voll gestellte Instrumentenräume freigibt. Trotz kreativem Chaos ist es in den Räumen warm, hell und gemütlich. Damals jedoch konnten Musiker auf Raumsuche allenfalls in "irgendeinem Keller oder im sechsten Stock ohne Lastenaufzug" üben, wie Kazankaya feststellt. "Ohne Tageslicht oder Heizung. Da sind dann gern mal die Sachen verschimmelt."

Inakzetabel, befanden Achim Sommer und Stefan Kazankaya. Sie erkannten den Bedarf und ergriffen die gute Gelegenheit, als sie sich ihnen bot. Schon vor 1995 hatte es in der alten Fabrik an der Moorfleeter Straße 15 einige wenige Proberäume gegeben. Kazankaya und Sommer holten sich die Telefonnummer des Vermieters und pachteten kurzerhand die Halle. Die Arbeit begann.

Seitdem wurde die Fabrik komplett umgekrempelt. "Wir haben wirklich alles selbstgemacht", sagt der Bergedorfer. Die beiden Chefs zogen Böden in die große Halle ein, bauten auf den entstandenen Etagen insgesamt 63 Musikproberäume mit Schallisolierung (12 bis 60 Quadratmeter, Monatsmiete: 11 Euro/m² warm), setzten Heizungen, Stahltüren und Fenster ein und bauten sogar selbst eine Solaranlage aufs Dach. Auch eine ausrangierte Deckendekoration aus dem Billstedt-Center fand hier eine Wiederverwendung.

Das Fabrikflair blieb trotz aller Umbauarbeiten erhalten: Noch immer gibt es alte, stählerne Treppen, verwinkelte Flure, zugige Ecken. Ein leicht abgeschabter Charme, der bei den Kreativen ankommt: "Udo Lindenberg hat hier ein Video gedreht", sagt Kazankaya. Und oft feiern Plattenfirmen in einer attraktiven Ecke der weitläufigen Flure das Erscheinen neuer CDs. In einer der beiden Hallen, die gemietet werden können, wurde im Mai das Gangster-Musical "Revolver im Klavier" geprobt. Gerade haben Achim Sommer und Stefan Kazankaya auch noch eine Halle (170 m² plus Vorraum und Küche) speziell für fotografische Zwecke hergerichtet.

Der Erfolg der "Soundfabrik" gibt den beiden Chefs recht: Die Probenräume sind nahezu dauervermietet - wird mal ein Raum frei, stehen neue Musiker Schlange. In der Szene bekannte Bands wie "Rockhouse" proben hier, die Chartstürmer von "Revolverheld" haben einen Produktionsraum. Aber auch viele Newcomer-Bands leisten sich einen Probenraum in der "Soundfabrik".

Oft treffen sich die Musiker in der geräumigen Küche im Erdgeschoss. Dann sitzen hier die Musiker auf Barhockern, während Achim Sommer so wie jetzt einen seiner "sehr guten" Milchkaffees macht und an der Maschine herumfuhrwerkt. "Manche Bands haben Musiker, die gerade mal 16 oder 17 Jahre alt sind", sagt der 49-Jährige. Die brauchen auch schon mal eine handwerkliche Hilfe oder aber einen guten Rat. Sommer: "Ein bisschen sind wir dann so was wie Herbergsväter."

www.soundfabrikhamburg.de