Bergedorf (stri). Dass es durchaus eine Strafe sein kann, in einer alten, etwa 400 Quadratmeter großen Villa zu wohnen, zeigt das Beispiel von Ehepaar Gerda und Dr. Helmut Jung. Den Brüdern Hajo und Axel Penndorf kauften sie 1995 deren Elternhaus an der Von-Anckeln-Straße 11 ab.

"Die Villa stand eineinhalb Jahre leer. Hier lagen schichtweise Teppiche übereinander, und es gab schwere Brokatvorhänge", erinnert sich Ehepaar Jung an seinen ersten Eindruck von der Villa, die 1908 von den Architekten Schmuck & Würdemann für die Witwe von Robert Schaumann errichtet wurde.

Hendrik Penndorf zog in den Pferdestall

Dr. Agnes Seemann vom Hamburger Denkmalschutzamt hatte 1995 das traufständige Gebäude als Kulturdenkmal eingestuft - samt der umliegenden Gartenfläche des insgesamt 1230 Quadratmeter großen Grundstücks. Bis auf eine Terrassenüberdachung aus dem Jahr 1962 habe die Villa "nahezu keine Veränderungen hinnehmen müssen", schrieb Seemann in einem Gutachten. Lediglich das Gartenhaus war verändert worden. Und aus dem einstigen Pferdestall wurde 1949 ein Einfamilienhaus, das zuletzt Hendrik Penndorf bewohnte.

Ehepaar Jung ließ neue Fußböden, Abflüsse, Heizungen und Stromleitungen verlegen. "Wir haben den Kaufwert noch einmal hineingesteckt", sagt Helmut Jung, der hier mit acht Mitarbeitern ein Marktforschungsinstitut betreibt.

Die Autos der Mitarbeiter störten jedoch einen Nachbarn, der sich zugleich fragte, ob das Gewerbe genehmigt sei. So rief er das Bauamt auf den Plan. "Wir wussten nicht, dass wir eine Nutzungsänderung für die Büros brauchen. Und die Landhausverordnung war uns auch nicht bekannt", bekennt Ehepaar Jung. Im Juli 2009 erfuhren die Villenbesitzer in einem Schreiben vom Bezirksamt, die Firma müsse Anfang 2010 ausziehen, schließlich seien lediglich zwei Wohnungen genehmigt.

"Wir hätten sechs Parkplätze schaffen müssen, das war beim Denkmalschutzamt nicht durchsetzbar. Wir müssten feuerfeste Wände haben und eine Feuerleiter. Auch das kam für die Denkmalschützer nicht in Frage. Alle Seiten waren verbissen", sagt Jung, der schließlich einen Anwalt einschaltete und einen "Gnadenakt" erbat. Seit vergangener Woche hat er Gewissheit: Das Bauamt gewährt einen Aufschub bis Ende 2010, dann wollen die Jungs ausziehen - und ihre Firma nach Berlin verkaufen. "Den Bergedorfer Beamten scheint ja egal zu sein, dass Hamburg dann ein paar Hunderttausend Euro weniger Umsatz- und Einkommensteuer bekommt", sagt Jung (63) verärgert.

Bezirksamtsleiter Christoph Krupp schüttelt den Kopf: "In den Häuser des Villengebiets sind bis zu 30 Prozent freiberufliche gewerbliche Tätigkeiten erlaubt. Wenn Ehepaar Jung aber 47 Prozent der Gebäudefläche für die Firma nutzt, dann steht dies dem Baurecht nun mal eindeutig entgegen."

Und so wird nun ein neuer Käufer für die Villa gesucht, die bei Engel & Völkers für 1,15 Millionen Euro angeboten wird - als großbürgerliche Villa in absoluter Topform. "Knapp ein Dutzend Interessenten haben sich bereits gemeldet", sagt Dr. Jung.

Einen schönen Ausblick wird der neue Käufer nicht gerade haben: Gegenüber an der Von-Anckeln-Straße 10 baut "Mein Haus" ein Gebäude mit sieben Wohnungen, als Beispiel: Eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 104 Quadratmetern im Erdgeschoss soll 340 000 Euro kosten. Historiker Dr. Geerd Dahms vom Bergedorfer Kultur- und Geschichtskontor ist entsetzt: "Das wird ein riesiges Architektur-Monster, für das ein kleines Einzelhaus abgerissen wurde. Da werden bauliche Scheußlichkeiten erlaubt, während Besitzer von alten Villen nicht einmal eine Treppenstufe verändern dürfen."