Gisela Maack verkauft vier Perücken pro Monat. Oft ist eine Krankheit der Kundinnen der Grund.

. Die kurzen grauen Locken werden noch früh genug kommen, die Perücke lässt mich 20 Jahre älter aussehen. Als verjüngte Blondine jedoch würden mir sicher wieder die Bauarbeiter hinterher pfeifen. Mehr als 200 Modelle von vier Grossisten hat Gisela Maack in ihrem Perückenstudio am Elisabeth-Thomann-Weg auf Lager. Im Durchschnitt verkauft sie vier pro Monat, die Kunden kommen sogar aus Winsen, Schwarzenbek und Geesthacht.

"Als ich im Februar 1960 meinen Frisiersalon an der Vierlandenstraße eröffnete, gab es noch kaum Perücken. Die wurden erst in den Siebzigern richtig modern", erinnert sich die Friseurmeisterin, die immerhin 43 Lehrlinge ausbildete. Als Meisterstück fertigte sie gut zwei Wochen lang eine weiße Perücke aus Angora und Ziegenhaar. Auch sie selbst griff schon zur Perücke: "Wenn ich zerzaust aus unserem Segelboot stieg, war eine Kurzhaar-Page sehr praktisch. Auch die Löwenmähne von Tina Turner war beliebt."

Zwar hat Gisela Maack auch eine 75 Gramm schwere Echthaar-Perücke aus Indonesien für 650 Euro auf Lager, aber davon rät sie ab: "Dann müsste man nach dem Waschen wieder Lockenwickler eindrehen." Weitaus verbreiteter sei inzwischen das pflegeleichtere Kunsthaar: Mindestens 100 Haare werden mit der Knüpfnadel auf einem Quadratzentimeter in der kopfhautfarbenen Gaze befestigt. "Made in Japan, finished in China", steht auf einem Etikett. Das 595 Euro teure, handgeknüpfte Stück wiegt nur 45 Gramm. Nachträgliches Tönen oder Färben ist aufgrund der Struktur nicht möglich.

Die Auswahl von Stil und Farbe fällt besonders schwer vor dem Hintergrund einer Krebskrankheit. Die meisten Kundinnen von Gisela Maack brauchen eine Chemotherapie, deren Strahlen die Haarwurzelzellen zerstören. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation erkrankten 2008 weltweit zwölf Millionen Menschen an Krebs, 7,6 Millionen verstarben an den Folgen. Schätzungen zufolge wird im nächsten Jahr Krebs die Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Haupttodesursache ablösen.

Zwischen 50 und 70 Jahre alt sind die Kundinnen, die sich eine "Zweitfrisur" aussuchen - das Wort Perücke klingt heutzutage altmodisch. Die 20-Jährige ohne Haare war eine Ausnahme. "Sie hatte Liebeskummer und Abiturstress", erinnert sich die 72-Jährige.

Stramm muss die Perücke sitzen und gut mit Spezialshampoo und einem antistatischen Balsam gepflegt werden. "Aufpassen beim Öffnen eines Backofens, Dampf von kochendem Wasser, Fön oder Lockenstab", steht auf der Pflegeanleitung. Zudem sollte die "Zweitfrisur" lieber nicht mitduschen und auch im Schwimmbad wäre eine Badekappe besser, rät Gisela Maack: "Dann hält die Perücke recht lange, obwohl die Krankenkasse nach einem Jahr schon Zuschuss für ein neues Modell gewährt."

Dass ihr Haarstudio schräg gegenüber einer Seniorenwohnanlage liegt, sei übriges wenig Umsatz fördernd: Die Heime beschäftigen eigene Friseure. "Außerdem achten viele Senioren nicht mehr so streng auf ihr Äußeres, wenn sie blind oder dement werden", weiß die Friseurmeisterin, die sich darüber wundert, dass sich in Bergedorf inzwischen mehr als 200 Friseure finden: "Aber die meisten eröffnen jetzt auch ohne Meisterbrief ein Geschäft."