An der Rothenhauschaussee erlebten Kinder und Senioren glückliche Jahre. Jetzt verfällt das Haus.

Das aktuelle Geschacher um das ehemalige Altersheim an der Rothenhauschaussee 100 macht Helga Burmester traurig. "Mir tut es in der Seele weh, wie dieses Haus verkommt", sagt die 76-jährige Bergedorferin. "Es hätte eine Zukunft verdient, am besten mit vielen glücklichen Kindern. Denn sie haben seine Vergangenheit bestimmt."

Niemand kennt die Geschichte des imposanten Bauwerks besser als Helga Burmester: Ihre Mutter Erna war die einzige Tochter des Verwalters Wilhelm Wesselhoefft, der das "Bergedorfer Versorgungsheim" im Dezember 1908 als Beamter der Stadt Bergedorf gemeinsam mit Ehefrau Bertha übernahm. "Ich habe unzählige Geschichten über das Haus gehört", sagt die Enkelin und räumt mit zwei Irrtümern auf: "Es ist nicht 1919 eröffnet worden, wie heute behauptet, sondern 1901. Und es war kein Altersheim, sondern ein Zuhause für etwa 35 heim- und elternlose Kinder sowie zehn behinderte und versehrte Erwachsene."

Was ihre Großeltern aus diesen Vorgaben gemacht haben, scheint für die Bewohner ein Glücksfall gewesen zu sein. "Ich erinnere mich noch gut daran, dass wir lange nachdem sich Oma und Opa 1929 vom Heim verabschiedet hatten, immer wieder Besuch von 'ihren ehemaligen Kindern' bekamen", sagt Helga Burmester.

Wilhelm Wesselhoeft, vor seinem Umzug nach Bergedorf Besitzer eines großen Hofes in Schiffbek, rodete zunächst den Wald rund um das Heim bis hinauf nach Börnsen auf der einen und bis zur Holtenklinke auf der anderen Seite. Er machte die Flächen zu Feldern, die alle Heimbewohner auch in Notzeiten sehr gut versorgten - und auf denen sie mithelfen konnten, sofern sie wollten. Ehefrau Bertha organisierte derweil den Alltag im Haus, wurde über die Jahre zur Ersatzmutter für unzählige Kinder. Unterstützt von einem "Kinderfräulein" und zwei Küchenhilfen musste sie die Kinderschar täglich zu Fuß zu den Bergedorfer Schulen schicken, nachmittags von zu wilden Streichen abhalten und natürlich regelmäßig in den Wannen im Keller baden. "Zu Weihnachten ist meine Großmutter per Zug nach Bergedorf gereist, um für jedes Kind ein Geschenk zu besorgen. Ein Bus fuhr ja erst 1927 vor dem Heim ab", sagt die Enkelin, die einen Wunsch an Hamburg als heutigem Eigentümer des Heims richtet: "In dieses Haus passt nichts besser, als eine Bergedorfer Jugendherberge."