Bergedorf. Gut 50 Mitglieder der Bergedorfer linken Szene versammelten sich gestern gegen 12.30 Uhr am Bahnhof, um gegen die Gewalt von Rechtsradikalen zu demonstrieren. Grund war der Strafprozess gegen zwei Mitglieder der Hamburger Neonazi-Szene vor dem Amtsgericht - und ihr prominenter Verteidiger: NPD-Landesvorsitzender Jürgen Rieger.

Für die Demonstranten war die zur Verhandlung stehende Tat - ein Angriff mit Bierflaschen und Fäusten auf ein Pärchen im Sachsentor vor knapp einem Jahr - nur einer von vielen Übergriffen rechtsradikaler Schläger auf Jugendliche in Bergedorf. Allein im vergangenen Monat kam es zu drei Gewalttaten. Die "Soligruppe" vom linken Jugendzentrum "Unser Haus" (Wentorfer Straße 26) fasst zusammen: "Am 3. Mai wurden zwei Jugendliche von Neonazis in der Kneipe "Töpferkrug" am Mohnhof angegriffen. Am 8. Mai folgte ein Übergriff von Neonazis auf das Jugendzentrum "Unser Haus". Eine Scheibe ging zu Bruch und es gab Verletzte. Am 29. Mai wurde ein Antifaschist von fünf Neonazis verprügelt."

Per Megafon riefen die Demonstranten bei ihrem Zug zum Amtsgericht zu mehr Zivilcourage auf. Vor dem Gericht hatten sich mehrere Mannschaftswagen der Polizei postiert. Aus gutem Grund: Kurz nach dem Demonstrationszug trafen glatzköpfige Neonazis ein. Minuten später standen beide Gruppen auf dem Fußweg nebeneinander. Zu Übergriffen kam es nicht. Polizisten nahmen jedoch die Personalien eines Neonazis auf: Zeugen hatten ihn als Steinewerfer vom 8. Mai identifiziert.

Um 13.15 Uhr wurden die Türen zum Gerichtssaal geöffnet. Inzwischen war die Zahl der Nazigegner auf über 70 Menschen angestiegen. Alle drängten sich in Richtung Saal, doch nur 40 durften hinein. Dann riegelte die Polizei die Türen ab. Auf dem Flur wurde Nazi-Anwalt Jürgen Rieger mit Buh-Rufen begrüßt.

Im Saal belasteten die Zeugen die beiden Neonazis eindeutig: Sie seien im Juli 2008 abends ahnungslos durch das Sachsentor geschlendert und plötzlich von den beiden Männern angegriffen worden, berichteten Julian M. (21) und seine Freundin Sarah L. (17).

Die beiden Angeklagten hatten bei ihrer polizeilichen Vernehmung ausgesagt, sie seien als "Faschos" angepöbelt worden. Der Staatsanwalt mochte das nicht ausschließen. "So etwas darf aber hier kaum eine Rolle spielen. Flaschenwürfe, Tritte und Schläge sind auf jeden Fall verboten. Bergedorf darf nicht zum Tummelplatz rechter Gewalttäter werden."

Amtsrichter Günter Stello verurteilte beide Angeklagten zu neun Monaten auf Bewährung. Heiko H. muss als Auflage 500 Euro an das Kinderheim St. Elisabeth zahlen.

Wer von Jürgen Rieger einen Nazi-Auftritt vor Gericht erwartet hatte, wurde enttäuscht. Er verhielt sich nicht anders als jeder Strafverteidiger, versuchte die Zeugen in Widersprüche zu verwickeln. Dem friedlichen Verhalten der linken Zuhörer mochte er aber nicht trauen. In einer Verhandlungspause wandte er sich an eine auf dem Gerichtsflur postierte Polizistengruppe und bat um Geleitschutz zu seinem rund 100 Meter vom Amtsgericht entfernt geparkten Wagen.