Bergedorf. Am Schluss gab es stehende Ovationen. Das Publikum war begeistert von der Leistung der Schüler der Gesamtschule Bergedorf. Sie hatten an den Jugendtheatertagen des Lichtwark-Ausschusses mit einem selbst geschriebenen Stück “Romeo und Jasmin - Mord an der Ehre“ teilgenommen.

Anlass, das Stück zu schreiben, war die Ermordung der Deutsch-Afghanin Morsal O. durch ihren Bruder. Die Schüler mit deutscher und türkischer Herkunft spielten ihre Erfahrungen bei der täglichen Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Traditionen und Lebensentwürfen nach. Und das gelang ihnen beeindruckend gut.

Die Idee, die beiden Lager als Blau- und Rotfische zu bezeichnen, eröffnete den Schülern um Lehrer Markus Tiedemann interessante dramaturgische Möglichkeiten. Nicht nur konnten blonde Schülerinnen in die Rolle der muslimischen Rotfische schlüpfen, auch die Möglichkeiten und Grenzen der verschiedenen Lebensweisen wurden gekonnt durch blaue und rote Accessoires verdeutlicht. Ein blauer Minirock und ein rotes Tuch, in das ein Rotfisch-Mädchen eingewickelt wurde, bildeten ihre beiden Pole.

Die Eltern der Rotfische, die ihre kulturellen Werte für nicht diskutierbar halten, blieben in dem Stück gesichtslos. Übrigens waren sie nicht nur auf der Bühne unsichtbar, auch im Publikum sah man keine türkischen Eltern. Die enge Welt der traditionsbewussten Einwanderer wurde im Stück durch zwei Phantome symbolisiert. Sie standen außerhalb des Dialogs, allenfalls kam ihnen das Wort "Ehre" über die Lippen - ein Begriff, der den Schülern als Last mit auf den Weg gegeben wird. Für die Traditionalisten ist schon die Liebe zwischen jugendlichen Rot- und Blaufischen so unverzeihlich, dass die Ehre der Familie verletzt wird und gesühnt werden muss. Die Geschichte endet aber nicht mit dem Tod der Liebenden. Es ist der Bruder des Rotfisch-Mädchens, der seine Schwester töten sollte. Sein Tod scheint die Haltung der Eltern zu ändern. Doch letztlich bestätigt ihr Zusammenbruch nur ihr Weltbild - sie trauern, weil ihr Sohn tot ist. Eine tote Tochter hätten sie nicht betrauert.

Holmer Stahncke