Neuallermöhe. “Singen kitzelt lustig im Hals“, sagt Dennis. “Es macht mich immer so froh“, sagt Ridvan. “Bei mir kribbelt es im Bauch“, sagt Sadé. Die Klasse 3c steht im Musikraum der Adolph-Diesterweg-Schule in Neuallermöhe. 29 Schüler, elf Nationalitäten. Gerade haben sie mit Inbrunst Lieder von Brahms gesungen, zusammen mit Gesine Grube.

Sie ist Sängerin im NDR-Chor. Als ehrenamtliche "Sängerpatin" trägt sie ihre Leidenschaft für die Musik an die Schulen.

Musikerziehung hat in Deutschland wieder Hochkonjunktur seit Forscher in mehreren Studien ihre positive Wirkung nachgewiesen haben. "Aktives Musizieren macht die Kinder schlau, es fördert die Intelligenz und Konzentration, die soziale Kompetenz und das Selbstvertrauen", sagt Doris Mallasch. Die Musikpädagogin, die über die Wirkung von Musik auf Kinder ihre Doktorarbeit schreibt, hat noch eine Zahl parat: In Vergleichsstudien zur Leistung, sagt sie, hätten Kinder mit Musikbildung in fast allen Fächern um eine Schulnote besser abgeschnitten als ihre Mitschüler.

In bürgerlichen Quartieren gehören Klavier-, Geigen- oder Gesangsstunden für den Nachwuchs oft zum guten Ton, nicht aber in den bildungsfernen Vierteln. Um auch dort die Musikbildung zu fördern, gibt es das Projekt "Sängerpaten". Doris Mallasch hatte die Idee dazu und koordiniert 13 Profisänger vom NDR-Chor, die ehrenamtlich bei dem Projekt mitmachen. Seit zwei Jahren gehen die Profimusiker in acht Grundschulen in Hamburg, schmettern für die Kids Opernarien, erzählen von Komponisten, von der Welt der Konzertsäle und Premieren - und singen mit ihnen. So wie Gesine Grube.

"Mit klassischer Musik kommen die Kids hier normalerweise nicht in Berührung", sagt die 50-Jährige. Sie bringt die Welt der Klassik zu den Kindern von Neuallermöhe, wo sonst eher der HipHop regiert. Ihr Gegenprogramm heißt Brahms, Schumann - und Telemann. Als sie eine Arie des Barock-Komponisten vorträgt, lauschen die Schüler mit offenen Mündern und mucksmäuschenstill. Diese Art von Gesang kannten sie anfangs nicht, jetzt lieben sie sie. "'Wo hast du Dein Mikrofon versteckt?', hat mich ein Junge beim ersten Mal gefragt", erinnert sich die Virtuosin. Er wollte nicht glauben, dass ein einzelner Mensch so laut singen kann.

Inzwischen haben auch Dennis, Ridvan, Sadé und die anderen Kinder die Macht ihrer Stimme entdeckt. Sie singen mit voller Stimme, textsicher und sichtlich mit Freude. Alle - auch einige Jungs, die auf dem Schulhof sonst wohl den "coolen Macker" geben. "Mein Ziel ist erreicht, wenn ich die Begeisterung fürs Singen hier entfachen kann", sagt Gesine Grube. In der 3c hat sich ihr Engagement ganz offensichtlich gelohnt: Auf die Frage, wer denn später gern Sängerin oder Sänger werden wolle, schnellen fast alle Arme in die Luft.

Anderswo in Hamburg ist von dieser Leidenschaft weniger zu spüren: "An Hamburgs Grundschulen gibt es kaum noch ausgebildete Musiklehrer", sagt Doris Mallasch. Mit ihrem Projekt will sie diese Lücke etwas schließen. Die Profisänger sind dabei für den Glamour zuständig, sie kommen nur alle paar Wochen in die Klassen. Die Vor- und Nachbereitung übernehmen die Klassenlehrer.

Doris Mallasch hat mit den Sängerpaten noch viel vor: Sie hofft, dass das Konzept von der Schulbehörde aufgegriffen und an noch mehr Schulen umgesetzt wird. Und Gesine Grube hegt einen verwegenen Traum: "Ein Auftritt mit den Kindern in der neuen Elbphilharmonie. Das wäre das Allergrößte."