Bergedorf (knm). Auf den ersten Blick hat ein Nachschlagewerk wenig mit Kunst gemein und schon gar nicht ein mathematisches. Hier denkt man an komplizierte Formeln, dort etwa an Claude Monets farbgewaltige Gemälde oder Pablo Picassos Skulpturen.

Zwei Welten, die sich kaum verbinden lassen. So dachte auch Christiane Lüdtke - bis die Bergedorfer Künstlerin im Haus ihres Vater eine alte Enzyklopädie der Mathematik entdeckte und von der Komposition des Buches beeindruckt war.

"Annährungsverfahren 640" heißt ein Paket von 42 Bildern, das Christiane Lüdtke anlässlich der Langen Nacht der Museen in der Bergedorfer Mühle (Chrysanderstraße 56) erstmals ausstellt. Die 49-Jährige ist auch als Initiatorin des Kunstevents going public (zuletzt im Sommer 2008 im Schlosspark) bekannt.

"Mein Vater war Mathematiklehrer, ich war immer sehr schlecht in dem Fach", erinnert sich Lüdtke, die in Göttingen aufgewachsen ist. "Als er vor drei Jahren ins Altersheim kam und ich sein Haus durchforstete, fand ich die kleine Enzyklopädie der Mathematik." Durch das Lehrbuch von 1965 war plötzlich eine Möglichkeit gegeben, die Welt ihres Vaters und ihre eigene miteinander zu versöhnen.

Die gelernte Bildhauerin hat sich einzelne Seiten vorgenommen. Den jeweils zentralen Satz einer Seite hat sie freigelassen und den Rest zum Teil übermalt - mal schwarz, mal in sandigen Tönen. Schemenhaft bilden sich Figuren, Muster, die immer wieder Ausschnitte von Graphen, Formeln und Zahlen freilegen.

"Mädchen, Du musst im Leben Deinen roten Faden behalten", hat Lüdtkes Vater immer zu der heute 48-Jährigen gesagt. "Wichtig ist es aber auch, den eigenen Leidenschaften zu folgen", findet Lüdtke. Doch so weit weg von ihrem Papa sieht die Künstlerin sich gar nicht: "Auch die künstlerische Tätigkeit kann ein sehr stringenter, klarer Prozess sein. Meine Arbeiten landen so lange im Mülleimer, bis ich erreicht habe, was ich möchte. Auch mein Vater hat sich nie schnell zufriedengegeben."

Heute ist der Senior stolz auf seine Tochter, die selbst Mutter von zwei Söhnen ist. "Aber am Anfang hatte er Mühe", weiß Lüdtke und schmunzelt.

Wer die Arbeiten der Bergedorferin sehen möchte, kommt am 16. Mai zwischen 18 und 2 Uhr (Lange Nacht der Museen) oder am 17. Mai zwischen 14 und 17 Uhr in die Bergedorfer Mühle. Ein Ticket für die Lange Nacht kostet zwölf, ermäßigt acht Euro.

"Im Leben ist es wichtig, den eigenen Leidenschaften zu folgen." Christiane Lüdtke, Bildhauerin