Neuallermöhe. Zum Glück hat das brüllende Baby auf Eduards Arm einen Knopf zum Ausschalten. Leider darf Eduard diesen Knopf erst nach drei Tagen und zwei voraussichtlich durchwachten Nächten betätigen.

Vorher muss er seine Babypuppe mit Flasche oder frischer Windel, Schaukeln und Summen zur Ruhe bringen. Denn Eduard testet seine Fähigkeiten als Vater beim Projekt "Babybedenkzeit" an einer Puppe, die einen echten Säugling mit all seinen Bedürfnissen simuliert.

Sieben Jugendliche der Gesamtschule Allermöhe lernen derzeit, wie es sich anfühlt, Tag und Nacht für ein Baby verantwortlich zu sein. Sie lernen von einer Hebamme die Grundlagen der Babypflege und tauschen sich mit Projekt-Initiatorin Ewa Slimak vom Internationalen Bund aus.

"Ich bin so k.o., dass ich nur noch aus dem Bett rolle, wenn das Kleine wieder anfängt zu schreien", erzählt Schoschana Händel in der "Krabbelgruppe", die sich mit ihren Puppenkindern in einem Klassenzimmer der Gesamtschule trifft. Baby "Jeremy" liegt friedlich schlafend in ihrem Arm. Sein Name stammt direkt aus der TV-Welt der Teenies: Beim Musiksender Viva hat Schoschana ihren eigenen sowie den Namen ihres Partners per SMS eingeschickt - eine Rück-SMS lieferte ihr dann Vorschläge für den "idealen" Jungen- und Mädchennamen ihres Kindes.

"Amy" - wie die britische Skandalnudel und Sängerin Amy Winehouse - heißt das Baby auf Veronikas Schoß. Gelegentlich gluckst es zufrieden. Vorsichtig stützt die 14-Jährige den Kopf ihres Kindes. Sie muss mit der Puppe so vorsichtig wie mit einem echten Säugling umgehen. Jede Misshandlung, jede Vernachlässigung speichert ein Computerchip im Inneren der Puppe. Dieser wird nach Abschluss des Projektes von Ewa Slimak überprüft und ausgewertet.

Veronika will wie alle anderen in der Gruppe nur ausprobieren, wie sich Elternsein anfühlt: "Ich werde aber erst die Schule abschließen und studieren, bevor ich schwanger werde." Drei Kinder möchte sie später haben. "Und Karriere will ich auch machen", fügt die ehrgeizige Schülerin hinzu. Mit ihren Freundinnen Marusha und Darya hat sie das Muttersein schon in der Öffentlichkeit getestet. "Wir haben unsere Babys in Tragetaschen mit zum Eisessen genommen" erzählen die Drei. "Komisch angeguckt" hätten sie besonders die Älteren. "Und mich hat eine Frau auf der Straße sogar als Rabenmutter beschimpft, weil die Puppe so laut geschrien hat", ärgert sich Schoschana.

Mit seinem brüllenden Baby traut sich Eduard gar nicht erst aus dem Haus. Auch aus Angst vor den Sprüchen anderer Jungs. "Ich hätte eben später gern Kinder", sagt der 14-Jährige trotzig. "Dafür brauche ich aber erst mal genug Geld ... ", setzt er zu einer Erklärung an, die in dem lautstarken "Bäuerchen" eines Babys und dem darauf folgenden Gelächter der Krabbelgruppe untergeht.