Neuallermöhe (stri). Die gefährlichste Droge ist die, mit der du nicht klarkommst. Diesen Satz haben im vergangenen Jahr rund 300 Jugendliche aus Neuallermöhe gehört. Meist Acht- und Neuntklässler der Gesamtschule werden von den Jugendsuchtberatern des Vereins “Jugend hilft Jugend“ vor riskantem Konsum gewarnt.

Das auf fünf Jahre angelegte Projekt, das jährlich mit 100 000 Euro von der Stadt unterstützt wird, zieht in seinem zweiten Jahr Bilanz: "In Neuallermöhe hatten wir 2008 etwa 100 Einzelberatungen. Die Hälfte betraf den Cannabis-Konsum, in 40 Fällen ging es um Alkohol", sagt die Russisch sprechende Gesundheitswirtin Olga Brauer (34), die es zu etwa 35 Prozent mit Mädchen zu tun hat: "Ein polnisches Mädchen war erst 13 Jahre alt und trank zweimal wöchentlich Alkohol. Es geht bei den 14- bis 27-Jährigen leider immer noch das Gerücht um, von Wodka bekäme man keine Fahne."

Die jüngste Gesprächspartnerin von Diplom-Pädagoge Matthias Maune (35) war 14 Jahre alt und kiffte täglich: "Leider bekam ich vor dem zweiten Treffen eine Absage per SMS. Aber ich würde mir selbst ins Knie schießen, wenn ich die Eltern anrufen würde. Schließlich unterliegen wir der Schweigepflicht und brauchen das Vertrauen der Jugendlichen."

Immer häufiger müssen die Suchtberater vor Psychosen warnen und Jugendliche an entsprechende Therapien verweisen. Ein kleiner Erfolg sei es schon, wenn wöchentlich fünf statt 30 Gramm Cannabis geraucht werde. Dann funktioniere auch wieder die "Brille der Realität", so Maune. Wer abmagert und die Schule schwänzt, muss die Prioritäten neu lernen und Risiken einschätzen: Zugekifft Auto fahren oder zur Abi-Prüfung kommen, kann langfristige Folgen haben. Genau wie Beschaffungskriminalität. Schließlich kostet ein Gramm Gras zwischen fünf und acht Euro, und in allerlei Privatwohnungen werde gedealt. "Verstöße gegen das Betäubungsmittel-Gesetz müssten viel schneller geahndet werden. Es wäre schon gut, wenn der Jugendrichter sofort eine Beratung anordnen würde", sagt Matthias Maune.

Neben Alkohol und dem oft als "Bio-Produkt" verharmlosten Cannabis verbleiben etwa zehn Prozent andere Suchtmittel wie Speed, Kokain oder Spielsucht. "Nur Heroin taucht kaum noch auf. Das passt nicht in die schnelllebige Zeit. Heroin putscht nicht auf, sondern macht lasch", sagt Krankenpfleger Thomas Rademacher.

Der 50-Jährige will die Jugendlichen aufrütteln - und zwar möglichst laut. So soll es am letzten Schultag eine "School-Out-Party am See" geben. Außerdem beginnt in diesen Tagen das "Sixpack-Projekt": Jugendliche - möglichst viele Mädchen - dürfen einen Kurzfilm zum Thema "Alkohol und Gewalt" drehen. Er wird am 17. Juni im Cinemaxx am Dammtor gezeigt. Wer mitmachen will: 0174/925 28 44.