Bergedorf. “Im Freundeskreis muss man aufpassen, was man sagt, sonst ist rasch ein Streit da.“ Die Erfahrungen, die Schulelternrätin Stefanie Krüger vom Gymnasium Allermöhe mit den Folgen der Hamburger Bildungsreformen macht, kennen viele engagierte Eltern, Lehrer und Schulleiter, die sogar vereinzelt von der Behörde aufgefordert werden, auf erboste Eltern mäßigenden Einfluss zu nehmen (wir berichteten).

Tatsächlich liegen die Nerven inzwischen blank. Zweifel an der Aussage von Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL), dass alle Schulstandorte erhalten blieben, lösen schon mal Protestanrufe aus - so auch in unserer Redaktion. Der kleine, aber wichtige Unterschied: Während Eltern, besonders die Mehrzahl der Primarschulbefürworter, voll auf die Aussage der GAL-Senatorin setzen, gestehen Lehrer und Schulleiter im Gespräch ein: "Eine solche Zusage ist natürlich zeitlich befristet." Oder: "Was in wenigen Jahren bei veränderten Anmeldezahlen oder nach den nächsten Wahlen ist, das weiß niemand."

Für viele Grundschulen sind die nächsten Schritte vorgezeichnet, sie müssen fusionieren, um als künftige Primarschulen fortzubestehen: Dazu sollen sie mindestens dreizügig sein. Weiteres Problem: Da die Primarschulen künftig bis einschließlich Klasse 6 laufen sollen, brauchen sie mindestens 18 Klassenzimmer - plus Räume für den Fachunterricht in den Klassen fünf und sechs. In der Regel ist dies kein Problem für Haupt- und Realschulen, die zu Primarschulen werden. Oder für solche Standorte, die früher weiterführende Klassen hatten, Leuschnerstraße oder Friedrich-Frank-Bogen in Bergedorf-West sind in dem Punkt gut gerüstet.

Anders Nettelnburg. Weil die Eltern Kooperationen mit benachbarten Grundschulen ablehnen, oder diese selbst mit dem Platz gerade hinkommen, planen die Nettelnburger einen besonderen Schritt. Die künftigen Klassen fünf und sechs sollen an einer weiterführenden Schule unterrichtet werden. Gedacht ist an eine Kooperation mit dem Hansa-Gymnasium. Im alten Nettelnburger Schulgebäude am Fiddigshagen reicht der Platz ohne Um- und Anbauten nicht für die geforderte Klassenzahlen. Wann und ob Hamburg ausreichend Geld für viele notwendigen Baumaßnahmen bereit stellt, ist derzeit noch nicht klar.

Für die bisherigen Grundschulen in den Vier- und Marschlanden heißt die "Zauberformel" Fusion. Nach derzeitigem Stand werden Altengamme und Neuengamme zusammengehen, außerdem die Grundschulen Kirchwerder und Zollenspieker sowie Ochsenwerder und Fünfhausen. Die Schule Mittlerer Landweg dagegen orientiert sich Richtung Stadtgebiet.

"Aktuell geht die Rechnung auf, jede künftige Primarschule kommt auf die geforderten drei Züge", betont Birgit Freitag, Schulleiterin in Altengamme. Probleme, Fachlehrer für den Unterricht der Klassen fünf und sechs zu finden, fürchtet sie nicht. "An unseren Grundschulen schlummern verborgene Potenziale." Tatsächlich verfügten viele über Lehrer, die auch in Naturwissenschaften oder Fremdsprachen unterrichten könnten. Sorgen bereitet eher der Schulbusverkehr, der künftig auch zwischen den jeweils fusionierten Standorten funktionieren müsse. "Wir brauchen sichere Schulbusverbindungen."

Elternrat Christian Heine setzt darauf, dass sich der Mix aus Primarschulen mit längerem gemeinsamem Lernen, künftigen Stadtteilschulen und Gymnasien bewährt. Für ihn verspricht das Modell "verbesserte Fördermöglichkeiten an den Primarschulen", damit mehr Chancengleichheit. Stefanie Krüger dagegen will sich dafür einsetzen, dass die Eltern auch bei der Ausgestaltung der Schulreform Mitspracherecht erhalten: "Dass wir in den Schulentwicklungskonferenzen nur über Standorte beraten durften, ist nicht hinnehmbar"