Martin Luther als Ketzer und Kirchenspalter - das war bis vor einigen Jahrzehnten das übliche Bild, das Katholiken sich von dem Reformator aus Wittenberg machten.

Luther habe sein Mönchsgelübde gebrochen, den Papst als "Antichrist" beschimpft, sich von Rom losgesagt und seine eigene Kirche gegründet - so habe ich, katholisch getauft und erzogen, als Kind gedacht.

Später bekam ich dann Kenntnis von den Umständen der Reformation, erfuhr etwas von Luthers ursprünglichen Motiven und begann zu verstehen, dass sein Anliegen nicht die Spaltung, sondern die Erneuerung der Christenheit war. Heute denke ich: Martin Luther als Reformer der Kirche, als Kirchenvater?

Wie sehr der Reformator zeitlebens katholisch war und blieb, zeigt zum Beispiel die Stelle aus seinem "Kleinen Katechismus" aus dem Jahr 1529, wo er empfiehlt: "Des Morgens, wenn du aus dem Bette fährt, sollst du dich mit dem heiligen Kreuz segnen" (bekreuzigen) "und sagen: Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen".

Luther hat auch nicht die Beichte abgeschafft oder die Verehrung Mariens und der Heiligen. Er hat allerdings mit scharfen Worten gegen das gestritten, was er als Verdrehung und Missbrauch des Evangeliums erkannte, wie etwa den damals grassierenden Ablasshandel und die dahinter stehende Vorstellung, man könne sich die Gnade Gottes durch religiöse Leistungen oder gar durch Geld verdienen.

In Rom hat man damals kaum verstanden, worum es Luther ging. "Was will das Mönchlein?", soll Papst Hadrian VI. gefragt haben. Und Luther reagierte mehr und mehr mit einem antirömischen Affekt. Später bekamen auch die aufständischen Bauern und die Juden, die seiner Lehre nicht folgen wollten, seinen Hass zu spüren.

Heute, im Abstand der Jahrhunderte, verstehen viele Christenmenschen nicht mehr, was denn eigentlich das Trennende zwischen evangelischer und katholischer Kirche sein soll. Und in der Tat hat die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" von 1997 festgestellt, dass die damaligen gegenseitigen Verwerfungen heute nicht mehr zutreffen. Damit sind entscheidende theologische Gründe für die Kirchenspaltung beseitigt.

Am 18. Februar 1546, also vor 463 Jahren, starb Martin Luther mit 63 Jahren in seiner Geburtsstadt Eisleben. Seine letzten Worte, die er niederschrieb, lauteten: "Wir sind Bettler, das ist wahr!" Diese Demut und das darin liegende Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes kann ich auch heute von ihm lernen.