Bergedorf. Die Beamtin hat beruflich alles erreicht. Ihr Arbeitsplatz an einem Gericht ist sicher, sie verdient gut, kann auch im Alter mit einer ordentlichen Rente rechnen. Dennoch ist die Hamburgerin nicht glücklich: Jetzt, mit Mitte 40, will sie am liebsten alles hinwerfen und etwas ganz anderes machen - vielleicht schreiben oder bildhauern.

Coach Nina Stiewink berät immer mehr Menschen, die in der Lebensmitte auf Sinnsuche sind.

Eine Midlife-Crisis (Krise in der Lebensmitte), die offenbar immer mehr Menschen trifft: Nina Stiewink, Diplompädagogin aus Bergedorf und hamburgweit gefragter persönlicher Coach, hat immer öfter mit Mitt-Vierzigern oder -Fünfzigern zu tun, die sich in der Lebensmitte die Warum-Frage stellen: "Die sagen sich dann: ,Das kann's doch nicht gewesen sein'", sagt die 41-Jährige.

Mehr noch als früher ist die Sinnsuche in der Lebensmitte jetzt auch eine Suche nach mehr Werten, glaubt die Trainerin, die unter anderem für die Zeitschrift "Emotion" Online-Beratungen macht und im Deutschen Verband für Coaching und Training als Gutachterin arbeitet: "Es geht für die Menschen darum, etwas Sinnstiftendes zu tun." Oder eben etwas, das der eigenen Seele nach Jahren des beruflichen Stresses gut tut.

Da ist zum Beispiel die Steuerberaterin, die sich jetzt als Qi-Gong-Trainerin selbstständig machen will. Oder der Kranführer, der mit Mitte 50 den Job trotz guten Verdienstes hinwerfen will, weil er sich hoch oben an seinem Arbeitsplatz einsam fühlt. Oder der 50-jährige Geschäftsführer eines großen Unternehmens, der sich ein Sabbatjahr nahm und danach nicht mehr in den Arbeitsalltag zurückkehren wollte. "Der sagte: ,Karriere und Geld, das brauche ich alles nicht mehr'", sagt Nina Stiewink. Was er aber stattdessen tun möchte, das wusste er nicht - und suchte Hilfe bei Nina Stiewink.

Mit Fragen versucht die Pädagogin, den Menschen in diesen Situationen zu helfen. "Ich biete keine Lösungen an", betont sie. "Ich helfe den Menschen nur, ihre Wünsche und Vorstellungen zu reflektieren." Auch bei anderen Problemen - vielleicht einem unerfüllten Kinderwunsch, der Suche nach dem Traummann oder der erhofften Raucherentwöhnung. Etwa 40 Coachings macht die Bergedorferin pro Monat (Stunde ab 75 Euro). Ein Patentrezept für die Probleme gibt es aber selten. "Die Klienten müssen selbst herausfinden, welches Leben zu ihnen passt." Ihre Fragen sollen dabei helfen. "Viele haben sich selbst ihre Barrieren aufgebaut, sind zum Beispiel zu perfektionistisch oder haben nie gelernt, Nein zu sagen."

Manchmal aber ist klar, dass Nina Stiewink als Diplom-Pädagogin der falsche Ansprechpartner ist und dass eigentlich ein Psychologe oder Psychiater gefragt wäre. "Diese Menschen schicke ich zwar nicht sofort weg, weil es sie schließlich Mut gekostet hat, zu kommen", so Stiewink. "Aber dann muss man klar machen, dass andere Unterstützung vonnöten ist."

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