Hamburg. Rund sechs Monate rangen IG Metall und Airbus um Regeln etwa zu Befristung, Leiharbeit und Ausbildung - jetzt gibt es eine Einigung. Die Probleme beim Konkurrenten Boeing versteht Airbus derweil als Warnung.

Nach teils harten Verhandlungen haben sich der Luftfahrtkonzern Airbus und die Gewerkschaft IG Metall für die mehr als 45 000 Beschäftigten in Deutschland unter anderem auf neue Regeln zu Befristungen, Leiharbeit und Werkverträgen verständigt. Für die Betriebe von Airbus Commercial in Deutschland - dazu zählen Airbus Operations, Airbus Aerostructures sowie Premium Aerotec Industry mit insgesamt rund 28 000 Beschäftigten - seien zudem Vereinbarungen zum Ausgleich von Unter- und Überkapazitäten und zur Ausbildung getroffen worden. „Alle Regelungen, die wir beschlossen und getroffen haben, gelten bis zum Ende des Jahres 2030“, sagte der Airbus-Verhandlungsführer und bisherige Arbeitsdirektor in Deutschland, Marco Wagner, am Mittwoch in Hamburg.

Airbus hat nach eigenen Angaben an seinem größten Standort Hamburg rund 18 000 Beschäftigte. Danach folgen Donauwörth mit rund 6250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Manching mit rund 5500 und Bremen mit etwa 4500. Weitere 2700 Beschäftigte habe Airbus in Nordenham, 2600 in Augsburg, 2500 in Ottobrunn und 2000 in Friedrichshafen. Die kleinsten Standorte sind Stade mit rund 1700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Varel mit etwa 1100 Beschäftigten.

Basis der Neuregelungen sei eine Vereinbarung von 2022 zur Arbeitsplatzsicherung bis 2030, die nun mit weiteren Elementen flankiert worden sei. „Die Verhandlungen (...) waren intensiv, am Ende haben wir aber gemeinsame Lösungen (...) gefunden“, sagte Wagner, der inzwischen am Hauptsitz in Toulouse die internationale Personalleitung aller Operations-Bereiche der Zivilflugzeugsparte übernommen hat. Der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich, sagte, die Zusammenarbeit sei nicht immer einfach, aber auf Augenhöhe gewesen. „Ich glaube, dieses Tarifpaket (...) ist auch ein Ausdruck einer gemeinsamen konstruktiven und guten Tarifpartnerschaft“, sagte er zum Abschluss der rund sechsmonatigen Gespräche. Das sei in anderen Branchen manchmal durchaus schwieriger.

Der Neureglung zufolge dürfen Leiharbeitskräfte konzernweit weiter maximal 36 Monate eingesetzt werden. Künftig muss ihr Einsatz danach jedoch entweder beendet oder die Leiharbeiter müssen von Airbus übernommen werden - und zwar unbefristet. Weitere Befristungen seien dann nicht mehr zulässig. Zeitlich befristete Beschäftigung sei künftig generell auf drei Jahre limitiert. Zudem werde die Leiharbeitsquote schrittweise von derzeit maximal 13 auf 10 Prozent im Jahr 2028 reduziert. Friedrich sprach in diesem Zusammenhang von einem wichtigen Signal zur Stabilisierung der Stammbelegschaft.

Bei der Übernahme von Leiharbeitskräften ist der Vereinbarung zufolge künftig zudem sichergestellt, dass diese nach einem Wechsel nicht schlechter dastehen als bei einer Fortsetzung des Leiharbeitsverhältnisses. So würden als Leiharbeiter geleistete Einsatzzeiten im Falle der Übernahme bei Airbus für tarifliche Leistungen wie betriebliche Sonderzahlungen, Transformationsgeld oder tarifliches Zusatzgeld akzeptiert. „Das ist tarifpolitisches Neuland, das ist der einzige Tarifvertrag in Deutschland, der regelt, dass die Einsatzzeiten, die ich als Leiharbeiterin, als Leiharbeiter im Unternehmen habe, (...) auch anerkannt werden“, sagte Friedrich.

Für die Betriebe von Airbus Commercial wurde den Angaben zufolge neben einem Bündel von Maßnahmen zum Ausgleich von Unter- und Überkapazitäten sowie einer Modernisierung der Arbeitszeit-Kontensystematik auch ein Bekenntnis zur Ausbildung bei Airbus verabredet. Demnach bilden alle Standorte aus, die Ausbildungsquote liege bei mindestens fünf Prozent und alle Auszubildenden und Dual-Studierenden würden grundsätzlich unbefristet übernommen. Auch die Generation Z, der der Ruf anhafte, eben keine langen Visionen zu haben, wolle Sicherheit, sagte die Personalchefin von Airbus Aerostructures Deutschland, Daniela Haller. „Wir haben festgestellt, wenn wir die Sicherheit von Anfang an bieten, bleiben die jungen Menschen auch bei uns.“

Mit Blick auf die großen Probleme beim Konkurrenten Boeing sagte Wagner, das „ist für uns keinesfalls eine Botschaft der Freude“. Das belege vielmehr, wie volatil das Geschäft und wie wichtig Qualität und Sicherheit im Flugzeugbau seien. „Das, was unserem Wettbewerber passiert, ist uns stets ein Warnzeichen.“ Der Airbus-Konzernbetriebsratsvorsitzende Holger Junge betonte: „Wir wollen alles tun, damit wir nie in so eine Eskalation kommen wie Boeing.“

Der US-Flugzeugbauer Boeing steckt seit mehr als fünf Jahren in der schwersten Krise seiner Geschichte. Nach zwei tödlichen Abstürzen musste sein Mittelstreckenmodell 737 Max ab März 2019 weltweit mehr als 20 Monate lang weltweit am Boden bleiben, bevor die Behörden es nach und nach wieder für den Flugbetrieb freigaben. Die Nachwirkungen halten Boeing bis heute im Griff, weitere Probleme und Qualitätsmängel kamen hinzu. Am 5. Januar dieses Jahres entgingen mehr als 170 Insassen einer 737 Max von Alaska Airlines nur knapp einem Unglück, als im Steigflug ein türgroßes Teil des Rumpfs herausbrach.