Hamburg (dpa/lno). Bürgermeister Tschentscher hat den Ausbau der Windenergie zur Chefsache gemacht und auch Naturschutzgebiete ins Auge gefasst. Wo die Windräder stehen sollen, bleibt aber vorerst noch unbeantwortet.

Hamburg muss bis zum Jahr 2032 0,5 Prozent seiner Landesfläche zur Nutzung der Windenergie ausweisen und die bisher dafür genutzte Fläche damit verdoppeln - so will es ein Bundesgesetz. Wo er in der Stadt entsprechende Potenziale sieht, will der rot-grüne Senat frühestens ab der zweiten Jahreshälfte mitteilen, wie aus der Antwort auf eine schriftliche Kleine Anfrage des energiepolitischen Sprechers der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Stephan Gamm, hervorgeht. „Im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, die voraussichtlich im 3. Quartal 2024 stattfinden wird, werden die potenziellen Flächen benannt werden“, heiß es darin.

Gamm wirft dem rot-grünen Senat vor, die Bevölkerung über seine Pläne bewusst noch im Dunkeln zu lassen. „Eine Veröffentlichung der konkreten Ausbauflächen wird es erst nach der Wahl der Bezirksversammlung geben. Hier möchten sich SPD und Grüne ganz offensichtlich dem Votum der Öffentlichkeit entziehen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die sieben Bezirksversammlungen werden am 9. Juni neu gewählt - zusammen mit dem Europaparlament.

Derzeit werden in Hamburg laut Umweltbehörde 194 Hektar für die Windkraft genutzt, was in etwa 0,26 Prozent der Landesfläche entspricht. Hamburg Wasser nahm vor knapp einem Jahr das 68. und bisher letzte Windrad der Hansestadt in Betrieb. Es ist 180 Meter hoch, hat eine Leistung von 3,6 Megawatt und steht auf dem Gelände des Klärwerks Dradenau im Hafen.

Produziert wurden laut Senatsantwort in Hamburg aus Windkraft im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen 238,3 Gigawattstunden Strom. Zum Vergleich: 2019 waren es 237,7 Gigawattstunden. Der Anteil des aus Windenergie gewonnen Stroms am Gesamtstromverbrauch der Stadt stieg demnach in diesem Zeitraum von 2 auf 2,5 Prozent.

Eigentlich will Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) beim Windkraftausbau aufs Tempo drücken und hatte deshalb schon im Sommer 2022 auch die Nutzung von Naturschutzgebieten ins Spiel gebracht - sehr zum Verdruss des grünen Koalitionspartners. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) setzt vor allem auf Flächen im Hafen.

Die vom Bund vorgegebene Zeitspanne für den Ausbau bis 2032 nannte Tschentscher im Januar vergangenen Jahres noch unambitioniert und kündigte an, deutlich schneller zum Bau von 100 zusätzlichen Windrädern in der Hansestadt kommen zu wollen. „Ich dränge darauf, dass wir in Hamburg sehr bald Vorschläge für die erforderlichen Standorte machen, den Bau der Anlagen genehmigen und dann auch umsetzen“, sagte er damals.

Um entsprechende Gebiete auszuweisen, sind Änderungen am Flächennutzungsplan und am Landschaftsprogramm der Hansestadt notwendig, denen auch die Bürgerschaft zustimmen muss. Im Rahmen dieses Verfahrens würden „alle Suchflächen artenschutzrechtlich und artenschutzfachlich bewertet“, schreibt der Senat. „Auf diesem Weg sollen schwerwiegende Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz bereits im Vorfeld ausgeschlossen beziehungsweise naturschutzfachliche und -rechtliche Lösungen bereits mit eingeplant werden.“

Von der Möglichkeit, Kompensationsflächen durch entsprechende Verträge mit anderen Bundesländern zu nutzen, die über mehr unbebaute Flächen für Windkraftanlagen verfügen als der Stadtstaat, will der Senat nach wie vor keinen Gebrauch machen, wie er in seiner Antwort auf Gamms Anfrage mitteilte.

Der CDU-Abgeordnete hält das für falsch: „Es ist nicht sinnvoll, dass ein Stadtstaat wie Hamburg mit seinen begrenzten Flächen dogmatisch an den Vorgaben des Bundes festhält“, sagte Gamm. „Hier werden Konflikte mit den Menschen vor Ort provoziert, die angesichts des ohnehin heute und auch zukünftig sehr geringen Anteils, den die Windenergie in Hamburg spielen wird, sehr einfach vermieden werden könnten.“