Hamburg. Seit einem Jahr wartet der Hamburger Untersuchungsausschuss zum „Cum-Ex“-Skandal auf Akten aus NRW. Auch eine Klage wird bereits ins Auge gefasst. Nach dem angekündigten Rücktritt des Leiters der Staatsanwaltschaft Köln scheint nun alles ganz schnell zu gehen.

Nach langem Warten hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) der Hamburgischen Bürgerschaft zur „Cum-Ex“-Affäre vom nordrhein-westfälischen Justizministeriums Akten der Staatsanwaltschaft Köln erhalten. „Zwei elektronische Akten wurden heute bereits übergeben und auch ein Verzeichnis, das alle Bestandteile der Akten auflistet“, sagte der CDU-Obmann im Ausschuss, Richard Seelmaecker, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Die in „Cum-Ex“-Fällen federführende Staatsanwaltschaft Köln ermittelt auch im Zusammenhang mit der in den Skandal verstrickten Hamburger Warburg Bank.

Seelmaecker zeigte sich zufrieden. „Die vier Vertreter des Ministers haben uns glaubhaft versichert, vollumfänglich zu kooperieren und uns alle Akten und Aktenbestandteile der Staatsanwaltschaft Köln zur Verfügung zu stellen.“

Das Treffen der Ministeriumsvertreter mit den Obleuten des PUA fand am Rande der Bürgerschaftssitzung statt. Vor der Sitzung hatte der Ausschuss seinen Vorsitzende ermächtigt, einen Rechtsbeistand zu beauftragen, um für die Durchsetzung des bereits vor rund einem Jahr gestellten Ersuchens zur Überlassung der Akten zu sorgen.

Den Grund für die Verzögerung sieht Seelmaecker bei der Staatsanwaltschaft in Köln. Offenbar habe die Leitung der Staatsanwaltschaft die Herausgabe der Unterlagen behindert und nicht das Justizministerium, sagte er. „Mit dem Rücktritt der Leitung scheint der Weg frei zu sein, damit wir nun zügig unsere Aufklärung des Skandals fortsetzen können.“

Der Obmann der SPD im PUA, Milan Pein, nannte den Rücktritt des Staatsanwalts einen „bemerkenswerten Vorgang, den ich aber ohne den Sachverhalt zu kennen nicht weiter kommentieren kann.“

Nach einem Bericht des „Kölner Stadtanzeigers“ vom Mittwoch will der Leiter der Kölner Staatsanwaltschaft vorzeitig in den Ruhestand treten. Hintergrund sind demzufolge Differenzen mit Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) über die Herausgabe der Akten an den Hamburger Ausschuss. Das NRW-Justizministerium teilte hierzu lediglich mit, dass solche Personalangelegenheiten vertraulich seien. Nach dpa-Informationen trifft der überraschende Abgang aber zu.

Grünen-Obmann Farid Müller sieht ebenfalls einen „Kurswechsel“ in NRW. „Offenbar setzt das Ministerium in Düsseldorf auf maximale Transparenz“, sagte er. „Unser Problem im Ausschuss wird sein, wie wir mit der großen Menge an Akten nun umgehen sollen.“

Bei den Akten und Asservaten geht es um Datenträger und andere Beweismittel, die bei einer Razzia der Staatsanwaltschaft Köln im September 2021 in Hamburg sichergestellt worden waren. Unter anderem hatten die Fahnder Wohnungen und Räumlichkeiten des früheren Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und des früheren Hamburger Innensenators Alfons Pawelczyk (beide SPD) sowie der ehemals für die Warburg Bank zuständigen Finanzbeamtin durchsucht.

Gegen die drei wird wegen des Verdachts der Begünstigung ermittelt. Am Mittwoch stufte der PUA die Finanzbeamtin als „Betroffene“ ein. Bis dato war sie als „Zeugin“ geführt worden.

Der PUA soll prüfen, ob führende Hamburger SPD-Politiker Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Warburg Bank genommen haben. Hintergrund sind Treffen des ehemaligen Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz, der sich 2016 und 2017 mit den Gesellschaftern der Warburg Bank, Christian Olearius und Max Warburg getroffen hatte - damals war gegen Olearius schon wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit „Cum-Ex“ ermittelt worden.

Nach den ersten Treffen im Hamburger Rathaus hatte das Finanzamt für Großunternehmen 2016 mit Ablauf der damals drohenden Verjährungsfrist zunächst auf Steuerrückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro gegen das Geldhaus verzichtet. Weitere 43 Millionen Euro wurden 2017 erst auf Weisung des Bundesfinanzministeriums kurz vor Eintritt der Verjährung eingefordert.

Scholz hatte bei seinen Befragungen vor dem Ausschuss hinsichtlich der Treffen mit den Bankern Erinnerungslücken geltend gemacht, jede Einflussnahme auf den Steuerfall aber ausgeschlossen.

Bei „Cum-Ex“-Geschäften schoben Investoren Aktien rund um den Dividendenstichtag mit („cum“) und ohne („ex“) Ausschüttungsanspruch hin und her. In der Folge erstatteten Finanzämter Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand so ein Milliardenschaden.