Hamburg. Ein Kind stirbt nach einer Routine-Operation an der Nase. Die Narkoseärztin bekommt eine Geldstrafe - aber die Eltern bestehen auf ein weiteres Strafverfahren. Mehr als 16 Jahre nach dem Tod des Jungen zieht das Landgericht Hamburg einen vorläufigen Schlussstrich.

Im Prozess um den Tod eines Neunjährigen nach einer Routine-Operation vor 16 Jahren hat das Landgericht Hamburg zwei Hals-Nasen-Ohren-Ärzte zu Geldstrafen verurteilt. Der 65-Jährige Operateur habe sich der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht, erklärte am Donnerstag die Vorsitzende der Strafkammer, Birgit Woitas. Er bekam eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 440 Euro. Der ehemalige Mitinhaber der Praxis in Hamburg-Harburg sei der Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen schuldig. Den 69-Jährigen verurteilte das Gericht zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 75 Euro. Wegen der langen Verfahrensdauer gelten beide Geldstrafen in voller Höhe als vollstreckt.

Der Junge war im März 2007 an der Nase operiert worden, um seine Atmung zu verbessern. Im Aufwachraum kam es zu Komplikationen, der Neunjährige starb eine Woche später. Die Anklage warf dem Operateur vor, er habe den Vater des Kindes vor der Operation nicht ausreichend aufgeklärt. Außerdem sei die Infrastruktur der Praxis mangelhaft gewesen. Der Mitinhaber der Praxis sei für die strukturellen Mängel in der Einrichtung mitverantwortlich.

Die Strafkammer stellte fest, dass die Arzthelferinnen der Praxis keine spezielle Fortbildung für die Überwachung von Patienten nach einer OP gemacht hatten. Das sei ein Verstoß gegen die damals geltenden Standards gewesen. Außerdem hätten sie die vorhandenen Pulsoximeter zum Überwachen des Sauerstoffgehalts im Blut nicht regelmäßig eingesetzt. Der Aufwachraum der Praxis habe auch nicht über ein Gerät verfügt, mit dem im Notfall die Atemwege des Patienten hätten abgesaugt werden können. Es habe jedoch eine Klingel für die Patienten gegeben. Das belege, dass die Arzthelferinnen nicht ständig im Aufwachraum anwesend waren und nebenbei andere Aufgaben zu erledigen hatten.

Der Tod des Kindes sei ein „tragischer Unglücksfall“ gewesen. „Es ist sehr tragisch, weil der Tod des Jungen hätte verhindert werden können, wenn der Junge nach der Operation überwacht worden wäre“, sagte die Vorsitzende Richterin. Vater und Mutter des Kindes seien nicht mehr zusammen, der Vater ein gebrochener Mann. Auch für die Angeklagten sei der Fall tragisch, betonte Woitas. Sie seien beide angesehene Ärzte, die über Jahrzehnte selbstständig seien. Bis auf den einen Fall sei bei ihrer Arbeit nie etwas passiert. Das Gericht halte es für ausgeschlossen, dass es zum Entzug der Approbationen komme, sollte das Urteil rechtskräftig werden.

Der Fall hat bereits viele Gerichte beschäftigt, darunter zweimal auch das Bundesverfassungsgericht. Die an der Operation beteiligte Narkoseärztin war Ende 2009 wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Vater des Kindes war in dem Prozess Nebenkläger. Sein Anwalt sagte in seinem Plädoyer, sein Mandant wolle nur noch, „dass das endlich aufhört“. Er habe kein Strafbedürfnis mehr.

Die Staatsanwaltschaft hatte ein Jahr Haft auf Bewährung für den Operateur und eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 120 Euro für den ehemaligen Mitinhaber der Praxis beantragt. Die Verteidigung hatte Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens gefordert.