Kiel. Schlagabtausch zur zeitweisen Haushaltssperre: Die Opposition kritisiert den Sparkurs von Schwarz-Grün scharf. Finanzministerin Heinold verteidigt ihr Vorgehen. Für Aufregung sorgt ein anderer Koalitionspolitiker.

Haushaltschaos oder verantwortungsvolles Sparpaket im Eiltempo? Regierung und Opposition streiten in Schleswig-Holstein weiter um die Finanzen in Zeiten sinkender Steuereinnahmen. „Die Haushaltssperre war ein Fehler“, sagte Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD) am Freitag in einer Sondersitzung des Landtags. Die Sperre habe Chaos verursacht, sei sinnlos gewesen und Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) hätte sich im Parlament dafür entschuldigen müssen. Das Vorgehen habe im Land Ängste ausgelöst.

Heinold begründete den umstrittenen Kurs abermals mit einer deutlichen Veränderung der Finanzlage. „Als Finanzministerin kann ich bei der Frage, ob am Jahresende der Haushalt verfassungskonform ist, nicht auf dem Prinzip Hoffnung aufbauen“, sagte die Ministerin. „Wenn vor mir ein Warnschild steht, dann fahre ich doch nicht einfach ungebremst weiter.“

Am Dienstag hatte Schwarz-Grün die Haushaltssperre nach Beschluss einer Sparliste nach exakt zwei Wochen bereits wieder aufgehoben. Das Finanzloch für 2023 durch sinkende Steuereinnahmen und erwartete tarifbedingte Kostensteigerungen bezifferte Heinold mit 144 Millionen Euro. Durch eine Begrenzung der Personalbudgets sollen 50 Millionen eingespart werden, weitere 94 Millionen Euro unter anderem durch Kürzungen. Die Nettokreditaufnahme steigt 2023 zudem auf 429 Millionen Euro.

„Ein Land wie Schleswig-Holstein, das es schon immer finanziell schwerer hatte als viele andere Länder, spürt die Wucht der Veränderung natürlich stärker und vielleicht auch etwas früher“, sagte Heinold. Bis 2022 hätten niedrige Zinsen, hohe Steuereinnahmen und nicht ausgeschöpfte Personalbudgets zu oft zu sehr hohen Jahresüberschüssen geführt. „Heute spüren wir die Wucht der Zinswende - der Zinssatz ist in nicht einmal einem Jahr von 0 auf derzeit 3,75 Prozent gestiegen.“

Heinold verwies auf sinkende Einnahmen. „In diesem Jahr erwarten wir im Vergleich zum letzten Jahr rund 450 Millionen Euro weniger an Steuereinnahmen als noch in 2022.“ Zudem stiegen die Ausgaben in nicht gekannter Höhe, tarif- und inflationsbedingt, aber auch auf Grund politischer Beschlüsse. „Allein das Deutschlandticket, die Wohngeldreform, Steuerreform und die wegfallenden Bundesmittel für die Sprachkitas kosten uns jährlich rund 550 Millionen Euro.“ Der Haushalt 2024 sei eine Mammutaufgabe, Landesprogramme müssten hinterfragt und reduziert werden. Einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr hält sie aber nicht für notwendig.

FDP-Fraktionschef Christopher Vogt kritisierte, wer nur acht Wochen nach Verabschiedung des Haushalts eine Etatsperre erlasse, habe grottenschlecht geplant. „Das Haushaltsdesaster der Regierung ist selbstverschuldet.“ Es sei viel Vertrauen in Kompetenz und Seriosität der Regierung verloren gegangen. Kein Mensch glaube, dass die Koalition das Haushaltsproblem erst am Morgen nach der Kommunalwahl vom 14. Mai entdeckt habe. Er sei fassungslos, wie dilettantisch CDU und Grüne mittlerweile regierten. Für SSW-Fraktionschef Lars Harms steht fest: „Wenn ein Roter, ein Gelber oder ein Blauer mit am Tisch gesessen hätten, wäre das nicht passiert“, sagte er in Anlehnung an die Farben von SPD, FDP und SSW.

Vogt und Losse-Müller griffen Ministerpräsident Daniel Günther an. Der CDU-Politiker hatte zwar am Donnerstag nach langem öffentlichen Schweigen das vielumstrittene Vorgehen seiner Koalition verteidigt, sich in der Sondersitzung am Freitag aber nicht zu Wort gemeldet. Dafür gab er wenige Stunden vor Beginn der Sitzung einem TV-Sender ein Interview zur Haushaltssperre. „Das ist eine Unverschämtheit“, sagte SPD-Fraktionschef Losse-Müller.

Vogt betonte, das Land brauche keinen Schön-Wetter-Kapitän. „Wir brauchen keinen Jogger, keinen Eis-Tester und schon gar keinen väterlichen Freund. In dieser Zeit braucht unser Land einen Ministerpräsidenten“, sagte Losse-Müller.

CDU-Fraktionschef Tobias Koch verteidigte den Sparkurs. „Ich halte die Vorgehensweise nach wie vor für vollkommen richtig.“ Er räumte aber Fehler ein. „Wir haben es vielleicht unterschätzt in der Wirkung.“ Die Sperre habe verhindern sollen, dass die Regierung neue Verpflichtungen und Verträge eingehe. Die Koalition habe Wege finden müssen, die Finanzlücke zu schließen. „In der Tat war nicht absehbar, dass wir es innerhalb von zwei Wochen schaffen würden.“ Die Debatte biete einen Vorgeschmack auf anstehende Haushaltsberatungen für 2024. „Die guten Zeiten sind vorbei.“

Für Aufregung und eine Reaktion von Landtagspräsidentin Kristina Herbst (CDU) sorgte ein Vorwurf Kochs, die Opposition bediene mit ihrer Kritik „einzig und allein das Narrativ der Anti-Demokraten“. SSW-Fraktionschef Lars Harms wehrte sich vehement: „Wenn oppositionelle Abgeordnete in die Nähe von Anti-Demokraten gerückt werden, dann haben Sie da was falsch gemacht.“ Letztlich sah sich Herbst zum Einschreiten genötigt: „Alle hier im Saal sind Demokraten.“