Hamburg (dpa/lno). Eine junge Frau wird von einem Mann in der S-Bahn quer durch Hamburg verfolgt und schließlich vergewaltigt. Wenige Tage später soll derselbe Mann eine ältere Frau in ihrer Wohnung attackiert haben. Der Prozess um die Taten beginnt mit einer Überraschung.

Ein Prozess um sexuelle Überfälle auf zwei Frauen in Hamburg hat am Dienstag mit einem überraschenden Geständnis des Angeklagten vor dem Landgericht begonnen. „Es wird erklärt, dass die Tatvorwürfe vollumfänglich eingeräumt werden und er dafür verantwortlich ist“, erklärte am Dienstag einer der beiden Verteidiger des 28-Jährigen vor einer Großen Strafkammer. Weitere Fragen werde sein Mandant nicht beantworten, fügte der Anwalt hinzu.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Syrer Vergewaltigung, sexuellen Übergriff und gefährliche Körperverletzung in zwei Fällen vor. Er soll am Abend des 1. Januar 2023 einer 20-Jährigen von der S-Bahnstation Reeperbahn aus gefolgt sein. Am Busbahnhof Harburg habe er sie angesprochen und kurz darauf auf einem Schotterweg im Stadtteil Neuland überfallen. Als die junge Frau sich wehrte, habe er sie zu Boden gebracht, schwer misshandelt und vergewaltigt. Sie habe versucht, sich loszureißen und zu fliehen, doch der 28-Jährige habe sie eingeholt, weiter geschlagen und gedroht, sie umzubringen. Er sei bei der Tat in besonders erniedrigender Weise vorgegangen, erklärte die Staatsanwältin.

Nur vier Tage später soll der Angeklagte eine 74-Jährige in ihrer Wohnung im Stadtteil Barmbek-Süd überfallen haben. Mit 2,9 Promille alkoholisiert und von Cannabis berauscht habe er am späten Nachmittag an ihrer Tür geklingelt. Als die Frau öffnete, habe er sie am Hals gepackt und zu Boden gedrückt. Er schlug ihr laut Anklage mit der Faust ins Gesicht und versuchte, sie zu vergewaltigen. Als Nachbarn auf die Schreie der 74-Jährigen aufmerksam wurden, sei der Angeklagte geflüchtet. Die Polizei konnte ihn wenig später auf dem Dachboden des Mehrfamilienhauses festnehmen. Dabei habe er erheblichen Widerstand geleistet, hatte die Polizei am Tag danach mitgeteilt.

Beide Frauen wurden schwer verletzt. Die 20-Jährige erlitt nach Angaben der Staatsanwaltschaft einen Nasenbeinbruch sowie zahlreiche Hämatome und Schürfwunden. Bei der 74-Jährigen stellten Ärzte eine Kieferfraktur, einen Bruch der Augenhöhle, einen Nasenbeinbruch sowie einen Bruch des Mittelhandknochens fest. Außerdem hatte sie Platzwunden und Prellungen im Gesicht. Die Frau lag 19 Tage im Krankenhaus und wurde zweimal operiert.

Die 20-Jährige sagte am Dienstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor Gericht aus. Sie tritt wie die 74-Jährige als Nebenklägerin im Prozess auf. Der Angeklagte ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft vorbestraft. Das Amtsgericht Lüneburg hatte ihn Ende Mai 2020 wegen schwerer Brandstiftung zu einem Jahr und zwei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Zudem bekam er vom Amtsgericht Hannover eine Geldstrafe wegen Diebstahls. Zum Zeitpunkt der nun verhandelten Taten stand er unter Bewährung. Bei einer Verurteilung könnte ihm Sicherungsverwahrung drohen, das heißt, er käme auch nach Verbüßung der eigentlichen Strafe nicht frei, solange er als Gefahr für die Allgemeinheit gilt.

Die Verteidigung deutete an, dass ihr Mandant wegen einer Alkoholabhängigkeit oder einer psychischen Erkrankung vermindert schuldfähig gewesen sein könnte. Allerdings weigerte sich der Angeklagte nach Angaben des Vorsitzenden Richters, mit einem psychiatrischen Sachverständigen zu sprechen. Die Strafkammer hat sechs weitere Verhandlungstermine bis zum 30. Juni angesetzt.