Kiel (dpa/lno). Schwarz-Grün auf Achterbahnfahrt? So sieht es die Opposition. Die gerade verhängte Haushaltssperre soll nach massiver Kritik aufgehoben werden. Auf Regierungschef Günther und Finanzministerin Heinold kommt eine ungemütliche Landtagsdebatte zu.

Schleswig-Holsteins schwarz-grüne Landesregierung hat mit ihrer Haushaltspolitik landesweit Verärgerung und Verwirrung ausgelöst. Nach massiver Kritik will Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) die erst am Dienstag voriger Woche verhängte Haushaltssperre nun schnell wieder kassieren - nach im Eiltempo zu beschließenden Einsparmaßnahmen der Ressorts. Heinold verteidigte am Mittwoch ihr Vorgehen. Die Opposition sprach von chaotischem Regierungshandeln.

Elf Monate nach ihrem Amtsantritt steht die Regierung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in der Kritik wie nie zuvor. Günther selbst wollte sich am Mittwoch auf Anfrage nicht äußern.

„Die Haushaltssperre war das richtige Instrument zum richtigen Zeitpunkt nach der Steuerschätzung, um einmal deutlich zu machen: Wir brauchen jetzt Maßnahmen, damit uns das Jahr 2023 nicht aus dem Ruder läuft“, sagte Heinold. Die Haushaltslage habe sich zugespitzt.

Heinold sagte, die wegen stark gesunkener Einnahmeerwartungen verfügte Haushaltssperre solle Ende nächster Woche aufgehoben werden. Bis diesen Freitag sollen Ministerien und Staatskanzlei Einsparvorschläge machen, um wegbrechende Steuereinnahmen auszugleichen, wie aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Mitteilung an die Häuser hervorgeht. Die Haushaltssperre sei wie angekündigt nur ein vorläufiges Instrument, sagte Heinold.

Am Dienstag hatte das Kabinett erneut über die Finanzlage beraten und einen entsprechenden Beschluss gefasst - exakt eine Woche, nachdem Heinold wegen Einbrüchen bei den Steuereinnahmen die Haushaltssperre verkündet hatte. Von dieser seien bei einem 16-Milliarden-Euro-Etat rund 900 Millionen betroffen, hatte sie erläutert. Die Zahlen hätten alle überzeugt, dass Handlungsbedarf bestehe.

Heinold verwies auf den zu tilgenden Corona-Notkredit, das Inflationsausgleichsgesetz und ein Steuergesetz des Bundes. Letztere bedeuteten 400 Millionen Euro weniger Einnahmen für das Land. Sie wisse um die Verunsicherung von Vereinen und Verbänden, weil diese auf Zuschüsse angewiesen seien. Die Kritik am Vorgehen der Regierung habe sie deshalb nicht überrascht.

Heinold verneinte, in Bezug auf die Haushaltssperre zurückzurudern. „Natürlich wissen die Häuser seit letztem Dienstag, seit der Sperre, dass es eine Einsparnotwendigkeit gibt“, sagte sie. Sie sei täglich mit den Kabinettskollegen im Gespräch.

Rechnungshofpräsidentin Gaby Schäfer nannte die Haushaltssperre unverhältnismäßig. Die Regierung habe bis Dezember Zeit, die aufgrund der Steuerschätzung fehlenden 120 Millionen Euro im Haushalt einzusparen, sagte sie der dpa. „Es geht um ein Problem, das kleiner ist als ein Prozent des Haushaltsvolumens. Das können die Ressorts in kürzester Zeit über Einsparungen erbringen.“ Eine Haushaltssperre sei für gewöhnlich nur bei dauerhaft besonders krassem Missverhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben das Mittel der Wahl.

Mit einer Haushaltssperre dürfen im Grundsatz keine Ausgaben geleistet oder Verpflichtungen eingegangen werden, für die keine gesetzliche oder vertragliche Bindung besteht. Ausgenommen sind Personalausgaben und Investitionen zum Beispiel in Bauprojekte.

Außer der Opposition hatten Gewerkschaften, Sozialverbände und andere Organisationen das Vorgehen der Regierung kritisiert und gefordert, keine Mittel im Sozialbereich zu kürzen. Laut Heinold sinkt die Einnahmeerwartung für 2023 bis 2027 um insgesamt 2,8 Milliarden Euro im Vergleich zur Oktober-Steuerschätzung. Für 2024 besteht nach derzeitigem Stand eine Lücke von 450 Millionen Euro. Danach steigt der Handlungsbedarf noch relevant weiter.

Die oppositionellen SPD und SSW wollen die Haushaltspolitik der Regierung in einer Sondersitzung des Landtags aufarbeiten. SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller sagte am Mittwoch, die Haushaltssperre sei sofort aufzuheben. „Sie war offensichtlich eine Kurzschlussreaktion“, erklärte er. Schon jetzt sei der Schaden im Land groß. „Das entstandene Chaos und die angekündigten Kürzungen erfordern eine schnelle Regierungserklärung des Ministerpräsidenten in einer Sondersitzung des Landtags in der nächsten Woche.“

Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter sagte, selbstverständlich könne die Opposition eine Sondersitzung fordern. „Wir werden uns diesem Wunsch nicht in den Weg stellen.“

FDP-Fraktionschef Christopher Vogt kritisierte Heinold scharf. „Wozu es diese merkwürdige Panik-Aktion mit der Haushaltssperre so kurz nach der Verabschiedung des Haushalts tatsächlich gebraucht hat, muss die Regierung jetzt im Finanzausschuss und auch bei der nächsten Landtagssitzung nachvollziehbar erklären.“ Heinold habe wohl keinen anderen Weg gesehen, die verschiedenen Wünsche von CDU und Grünen zusammenzubringen. „Der schwarz-grüne Dilettantenstadl sorgt für völlig unnötige Verunsicherung im Land.“

„Was die Landesregierung hier abliefert, ist nicht weniger als die chaotischste Haushaltspolitik, die ich bisher erlebt habe“, sagte SSW-Fraktionschef Lars Harms, der seit 2000 im Landtag ist. „Erst lässt Ministerin Heinold pünktlich nach der Kommunalwahl die Alarmglocken schrillen, zieht das scharfe Schwert der Haushaltssperre, und eine Woche später bläst sie den Alarm einfach wieder ab?“ Das sei entweder sehr unprofessionell oder äußerst dreist. CDU und Grünen drohe der Haushalt zu entgleiten. Harms warnte vor Einschnitten in den Bereichen Kultur, Sport und Soziales.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler im Land, Aloys Altmann, bezeichnete das Vorgehen der Regierung als höchst irritierend, es lasse sich rational kaum erklären. „Offenbar hat sich erst jetzt bei Monika Heinold und Daniel Günther die Erkenntnis durchgesetzt, dass die großzügigen Versprechen des schwarz-grünen Koalitionsvertrages auf Sand gebaut waren.“ In der Euphorie des Wahlerfolgs sei die Koalition von viel zu optimistischen Einnahmeerwartungen ausgegangen.