Hamburg (dpa/lno). Bis 2030 will der rot-grüne Hamburger Senat die Mobilitätswende schaffen. 80 Prozent der Wege in der Stadt sollen die Bürger dann per Bus, Bahn, Rad oder zu Fuß erledigen. Nach fünf Jahren liegen dazu jetzt neue Zahlen auf dem Tisch. Kommt die Verkehrswende voran?

Immer mehr Hamburgerinnen und Hamburger bewegen sich in der Stadt entweder mit dem Rad oder dem öffentlichen Nahverkehr. Das geht aus einer Umfrage zum Mobilitätsverhalten hervor, die Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) am Montag präsentierte. Demnach stieg der Anteil von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr seit der letzten Erhebung 2017 von 64 auf insgesamt 68 Prozent im vergangenen Jahr.

Den höchsten Anstieg verzeichnete dabei der Radverkehr mit einem Plus von 7 Punkten auf 22 Prozent. Der ÖPNV legte seit 2017 von 22 auf 24 Prozent zu. Der Anteil der zu Fuß zurückgelegten Wege sank hingegen von 27 auf 22 Prozent. Auch der sogenannte „motorisierte Individualverkehr“ ging im Vergleich zur letzten Erhebung zurück: 2017 wurden so in Hamburg noch 36 Prozent aller Strecken zurückgelegt; im vergangenen Jahr nur noch 32 Prozent.

Noch stärker lasse sich die Entwicklung in der absoluten Verkehrsleistung ablesen, sagte Tjarks: „Neun Millionen Personenkilometer weniger sind 2022 im Vergleich zu 2017 mit dem Pkw gefahren worden - das ist ein Rückgang von fast 30 Prozent.“

Insgesamt ging die Mobilität in Hamburg in den fünf Jahren zurück: Summierten sich die in der Stadt zurückgelegten Wege damals noch auf 5,8 Millionen Kilometer pro Tag, waren es im vergangenen Jahr nur noch 5,3 Millionen. Laut Behörde ist das ein Corona-Effekt: Demnach arbeiteten vor der Pandemie nur 15 Prozent aller Beschäftigten einen oder mehrere Tage im Homeoffice; 2022 waren es 40 Prozent. Jeder Fünfte arbeitete den Zahlen zufolge sogar überwiegend von zu Hause.

Die Umfrage zeigt auch, dass die Zahl der Haushalte ohne Fahrrad in den fünf Jahren von 24 auf 21 Prozent gesunken ist. Zugleich nahm die Nutzung zu: 28 Prozent gaben an, den Drahtesel täglich oder fast täglich zu benutzen - das war ein Plus von 4 Punkten. Weitere 20 Prozent nutzen ihn demnach an ein bis drei Tagen pro Woche. Auch die Zahl der Haushalte mit E-Bikes stieg von 3 Prozent in 2017 auf 13 Prozent im vergangenen Jahr.

Für die repräsentative Umfrage waren im Frühjahr und Herbst vergangenen Jahres mehr als 8000 Hamburgerinnen und Hamburger befragt worden. Künftig soll der Modal Split - so nennen Verkehrsexperten den prozentualen Anteil der einzelnen Verkehrsmittel am Gesamtverkehr - alle zwei Jahre ermittelt werden.

Die Zahlen zeigten, dass die Mobilitätswende in Hamburg deutlich vorankomme, sagte Tjarks. Ziel des rot-grünen Senats ist ein Anteil der Nutzung von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr am Gesamtverkehr in Höhe von 80 Prozent. Um dieses Ziel zu erreichen, soll der Anteil der im öffentlichen Nahverkehr zurückgelegten Wege auf 30 Prozent steigen.

Die SPD in der Bürgerschaft führt die „Hochkonjunktur“ des Fahrrads auch auf die Corona-Pandemie zurück, während der viele Menschen den ÖPNV gemieden hätten. Neben dem Rückgang beim Fußverkehr gebe ihm zu denken, dass die Zahl der Mitfahrenden in den Autos gesunken sei, sagte der verkehrspolitische Sprecher Ole Thorben Buschhüter. „Hier werden wir Ursachenforschung betreiben müssen.“

Auch die CDU sieht Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Umfragedaten. „Offenbar führt das vermehrte Nutzen von Heimarbeit zu einem Rückgang des Verkehrs insgesamt“, sagte deren Verkehrsexperte Richard Seelmaecker. Dies biete Chancen. „Mit einer guten Infrastruktur und einem partnerschaftlichen, gleichberechtigten Umgang mit unseren Nachbarländern, Kreisen und Gemeinden profitieren alle“, sagte er. „Weniger Verkehr, bessere Lebensqualität und weniger Versiegelung - dafür setzen wir uns als CDU in Hamburg ein.“

Die Verkehrsexpertin der Linken, Heike Sudmann, begrüßte den Rückgang des Autoverkehrs in Hamburg. „Das ist eine gute Nachricht für das Klima“, sagte sie. „Aber der 30-prozentige ÖPNV-Anteil ist bis 2030 nur mit vielen neuen Busspuren und Straßenbahnen zu erreichen.“ Straßenbahnen werden von Rot-Grün in Hamburg allerdings abgelehnt.