Bremen. Wer produziert den meisten Ökostrom? Der Norden Deutschlands. Wo wird er verbraucht? Im Süden. Und wer bekommt die meisten Straßenbaumittel? Auch der Süden. Die Länder im Norden wollen mehr Gerechtigkeit.

Die fünf norddeutschen Bundesländer als Hauptstandort der Energiewende fordern, wirtschaftlich stärker davon zu profitieren. „Ohne den Norden wird die Energiewende nicht gelingen“, sagte der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) nach einem Treffen der Regierungschefs am Donnerstag in Bremen. Die Umstellung auf erneuerbare Energie und die Ansiedlung der dazugehörigen Industrie biete die Chance, das jahrzehntelange wirtschaftliche Ungleichgewicht zu Süddeutschland zu überwinden.

Gleichzeitig seien aber die deutschen Investitionen in die Infrastruktur im Norden, zum Beispiel bei Straßen, zu gering für dieses Potenzial. „Die Verkehrsminister haben Jahrzehnte nur nach Süden geschaut und haben mit dem Rücken zur Küste gestanden.“

Als aktuelles Beispiel nannte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) aus Schleswig-Holstein die Liste der Berliner Ampelkoalition mit 144 vorrangigen Autobahnprojekten. Die meisten davon lägen im Westen und Süden, nicht im Norden. „Das bildet nicht das ab, was wir hier in der Region an wirtschaftlicher Dynamik haben werden“, sagte Günther.

Im Namen der Küstenländer kritisierten die zwei Regierungschefs vor Journalisten auch die Regelung des Strommarktes. Im Norden stamme Strom zu einem hohen Anteil aus erneuerbaren Quellen, sei aber besonders teuer, sagte Günther. Ein möglicher Ausweg wäre eine Reform der Netzentgelte, wie sie der Bund auch im Koalitionsvertrag vorsehe. Insgesamt wird Strom durch den Transport nach Süden verteuert. Bovenschulte nannte als Möglichkeit auch die Einführung von Strompreiszonen. Der Strom solle dort günstiger sein, wo er klimafreundlich produziert werde. Dies sei aber ein politisch schwieriges Vorhaben.

Eine Konkurrenz ihrer Länder um die Standorte für Flüssigerdgas (LNG), Windkraft, Wasserstoff und andere Energieprojekte sahen die Regierungschefs nicht. „Es ist nicht so, dass wir zu viel Infrastruktur haben. Es gibt eher zu viele Flaschenhälse“, sagte Bovenschulte. Auf alle Fälle werde auf alle Küstenländer genug Wertschöpfung entfallen. Auch Günther betonte die Einigkeit im Norden: „Wir können uns nur im Wettbewerb durchsetzen, wenn wir gegenüber dem Süden geschlossen auftreten.“

Die so genannte Konferenz Norddeutschland (KND) sprach auch mit den regionalen Gewerkschaftsführungen über den Fachkräftemangel. Der Konferenz gehören die Küstenländer Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern an.