Kiel (dpa/lno). Nicht 2022, auch nicht 2025, nun vielleicht 2035 - dann könnten Schleswig-Holsteins Landesstraßen auf einem ordentlichen Gesamtniveau sein. So lautet die korrigierte Prognose des Verkehrsministeriums. Mehrere Faktoren kommen hier zusammen.

Die Sanierung der Landesstraßen in Schleswig-Holstein kommt weiter voran, aber ihr Zustand ist vielerorts noch weit schlechter als von Experten lange erwartet. Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) machte am Dienstag deutlich, dass die Sanierung weit länger dauern wird als zunächst geplant. Da die Schäden oft größer als erwartet seien, verlängerten sich Planungs- und Bauzeiten. Die Annahme, dass sich Schäden auf die Fahrbahnoberfläche konzentrierten, sei falsch gewesen. Vielmehr seien auch in der Tiefe viele Schäden festgestellt worden. Damit werde die Sanierung teurer und zeitaufwendiger. Die gestiegenen Materialpreise und Arbeitskräftemangel kämen erschwerend hinzu.

„Heute wissen wir, dass der Anteil notwendiger grundhafter Instandsetzungen doppelt so hoch ist wie noch vor fünf Jahren angenommen“, sagte Madsen. Gleichwohl werde die Landesregierung erfolgreich den Sanierungsstau abarbeiten, der sich über Jahrzehnte des Wegsehens aufgetürmt habe. So stünden in den kommenden fünf Jahren sowohl dringende substanzsichernde Deckenerneuerungen als auch die Sanierung der schlechtesten Landesstraßen im Fokus.

Über sehr viele Jahre habe das Land zu wenig investiert, um die Infrastruktur aufrechtzuerhalten, sagte Madsen. „Wir investieren deutlich mehr Geld als in den vergangenen Jahren.“ Rund 90 Millionen Euro sind es derzeit jährlich für die Landesstraßen. Nach aktuellem Stand geht Madsen davon aus, dass Mitte der Dreißigerjahre ein akzeptabler Gesamtzustand erreicht werden kann. Das wäre ein Jahrzehnt später als noch vor einiger Zeit prognostiziert. Bis etwa 2035 soll der Anteil der Straßen in schlechtem und ausreichendem Zustand von zwei Drittel auf ein Drittel sinken.

Rund 550 Millionen Euro fließen in den nächsten viereinhalb Jahren in die Sanierung maroder Landesstraßen und Radwege. Bis 2027 sollen 564 Kilometer Landesstraßen in Ordnung gebracht werden. Schwerpunkte sind die Kreise Schleswig-Flensburg, Nordfriesland und Steinburg, da dort der Zustand besonders schlecht ist. Im Norden gebe es Straßen, die 50 Jahre lang nicht angefasst wurden, sagte Madsen. An den bis 2027 zu sanierenden Landesstraßen verlaufen 242 Kilometer Radwege, die zu 90 Prozent ebenfalls sanierungsbedürftig sind.

„Allein noch in diesem Jahr ist vorgesehen, rund 100 Kilometer Fahrbahnen und mindestens 50 Kilometer Radwege in Schuss zu bringen“, erläuterte Madsen. Zusätzlich werde in dieser Legislaturperiode die Rekordsumme von 100 Millionen Euro für bestehende Radwege und neue Radwege-Projekte aufgebracht. Das Landesstraßennetz umfasst knapp 3700 Kilometer, von denen zwei Drittel über einen begleitenden Radweg verfügen. Das Radwegenetz ist 2351 Kilometer lang.

„Im Sinne der Nachhaltigkeit werden wir alles forcieren, was einem fortschreitenden Substanzverfall unserer Infrastruktur entgegenwirkt und dabei an unserem Grundprinzip „Erhalt vor Neubau“ festhalten“, sagte Madsen. Angesichts der Kostensteigerungen von bis zu 20 Prozent die zunächst angestrebte Länge sanierter Strecken aber nicht voll erreicht werden. Kostentreibend wirkt auch die Entsorgung früher eingesetzter umweltschädlicher Teerprodukte.

Häufig seien Tragschichten unter der Fahrbahndecke völlig zerfallen, erläuterte Christoph Köster vom Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr. Deshalb müsse Asphalt viel tiefer ausgetauscht werden als erwartet. So seien zwischen 2018 und 2022 nur 542 statt 866 Kilometer saniert worden.

Die permanente Sanierung der Landesstraßen bleibe auch für die nächsten Legislaturperioden eine Daueraufgabe, sagte Madsen. „Um bis 2035 einen guten Zielzustand zu erreichen, werden wir weiterhin pro Jahr 90 Millionen Euro und mehr benötigen - auch um den Preissteigerungen entgegenzuwirken.“

Ex-Verkehrsminister Bernd Buchholz wertete die Regierungspläne als „erschreckend unambitioniert“. Wenn 90 Millionen Euro im Jahr wegen gestiegener Kosten nicht ausreichten, müsse der Haushaltsansatz erhöht werden, um die Infrastruktur nicht wieder verrotten zu lassen.