Hamburg (dpa/lno). Hamburgs Wirtschaft will die Regeln für das Anwohnerparken nicht mehr hinnehmen und hat einen Forderungskatalog vorgelegt. Verkehrssenator Tjarks zeigt sich offen für Gespräche und verzichtet vorerst wie gewünscht auf die Ausweisung neuer Anwohnerparkgebiete.

Hamburgs Wirtschaft macht Front gegen das umstrittene Anwohnerparken. Ehe nicht die Straßenverkehrsordnung geändert worden sei und Gewerbetreibende damit leichter Parkgenehmigungen erhielten, sollten keine weiteren Bewohnerparkgebiete mehr ausgewiesen werden, hieß es in einem am Donnerstag veröffentlichten Forderungskatalog der Handelskammer. Außerdem müsse eine weitere Reduzierung von Parkraum gestoppt werden.

Zuvor hatte sich auch die Handwerkskammer über die Vergabepraxis bei Sonderparkerlaubnissen für Gewerbetreibende beschwert. Nach Angaben der Stadt kostet eine Ausnahmegenehmigung für ein Jahr 250,30 Euro - wird sie abgelehnt, sind immer noch 187,50 Euro fällig. Anwohner werden bei einer Online-Meldung mit 65 Euro zur Kasse gebeten.

Die Stadt weist seit 2015 immer mehr Bewohnerparkzonen aus, um den Anwohnern in den Quartieren das Parken zu erleichtern. Das ist durchaus umstritten, auch weil teils deutlich mehr Parkausweise ausgestellt werden, als Stellplätze vorhanden sind - was wiederum dazu führt, dass Anwohner in Stoßzeiten teilweise genauso schlecht einen Parkplatz finden wie zuvor. Viel Ärger gibt es auch um Arbeitnehmer, die etwa wegen Schichtdiensten auf ihr Auto angewiesen sind, aber keine Parkerlaubnis im Umkreis des Firmensitzes erhalten und drei Euro pro Stunde für das Parken bezahlen sollen.

Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) kündigte nach den Protesten auf Nachfrage an, vorerst auf neue Bewohnerparkgebiete zu verzichten. „Das Papier verdient es insgesamt, dass wir uns damit intensiv beschäftigen.“ Er wolle mit den Kammern und weiteren Beteiligten gemeinsam zu guten Lösungen kommen. Hamburg müsse mobil bleiben, dazu gehöre selbstverständlich auch ein funktionierender Wirtschaftsverkehr, sagte Tjarks. „Dafür müssen wir den Interessen der Unternehmen ebenso gerecht werden wie den Herausforderungen des knappen öffentlichen Raumes und des Klimawandels.“ Er werde daher zu Gesprächen einladen. „Um den Ergebnissen nicht vorzugreifen, werden wir neue Bewohnerparkgebiete vorerst zurückstellen.“

Nach Angaben der Handelskammer haben in den Gebieten mit geplantem oder schon erlassenem Anwohnerparken rund 66 800 Unternehmen und damit 39 Prozent aller der Handelskammer zugehörigen Unternehmen ihren Betriebssitz - Parkausweise erhielten aber nur jene, die dort mit ihrem Wohnsitz gemeldet seien. „Wir müssen das Bewohnerparken zu einem „Anliegerparken“ weiterentwickeln“, sagte Handelskammer-Präses Norbert Aust. Dann würden Firmen, die teils schon seit Jahrzehnten in den Quartieren verwurzelt seien, nicht mehr ausgegrenzt und könnten mit ihren Fahrzeugen zu den gleichen Bedingungen parken wie Anwohner.

„Bis dahin brauchen wir bei den Ausnahmegenehmigungen eine deutlich wirtschaftsfreundlichere Vergabepraxis“, forderte Aust. Beim Ermessensspielraum müsse die Devise lauten: „Im Zweifel für die Unternehmen“. Die Handelskammer warnte, Parkraummanagement dürfe nicht dazu führen, dass Betriebe Abwanderungsgedanken hegten. Das stehe der vom Senat angestrebten Mischnutzung von Leben und Arbeiten in den innenstadtnahen Quartieren entgegen.

„Der fortschreitende Abbau von Parkplätzen und die durch das Anwohnerparken zusätzlich erzeugte Verknappung des Parkraums schadet der Wirtschaft und verärgert immer mehr Menschen in unserer Stadt“, pflichtete der CDU-Oppositionsführer in der Hamburgischen Bürgerschaft, Dennis Thering, der Handelskammer bei. Bürgermeister Peter Tschentscher und die SPD müssten sich fragen lassen, ob sie diese jetzt seit Jahren praktizierte Anti-Autofahrerpolitik in Hamburg zu Lasten der Menschen und der Wirtschaft tatsächlich fortsetzen wollten.

FDP-Vize Sonja Jacobsen nannte die Forderungen der Handelskammer nachvollziehbar. „Die abschreckend hohen Kosten für betriebliche Sondergenehmigungen vertreiben angestammte Gewerbetreibende aus der Stadt ins Umland.“ Damit verliere Hamburg Steuereinnahmen und verstärke Pendlerverkehre. „Die einseitige Bevorzugung von Bewohnern gegenüber Beschäftigten, Besuchern, Handwerkern und Kunden wird der Lebenswirklichkeit in einer Metropole nicht gerecht.“