Hamburg (dpa/lno). Solar- und Gründachpflicht, neue Großparkplätze nur noch mit Photovoltaikanlagen, Heizen mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie - Hamburgs rot-grüner Senat will den Klimaschutz deutlich verschärfen. Manchen reicht das aber noch immer nicht.

Hamburgs Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf erhebliche Verschärfungen und wohl auch Kosten beim Klimaschutz einstellen. Unter anderem soll vom kommenden Jahr an die Solardachpflicht nicht nur für Neubauten, sondern auch für Bestandsgebäude gelten, sofern deren Dächer saniert werden, wie Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Dienstag sagte. Das neue Klimaschutzgesetz, das Anfang 2024 in Kraft treten soll, sieht außerdem vor, dass neue Parkplätze mit mindestens 35 Stellplätzen mit Photovoltaik-Anlagen überbaut werden müssen.

Von 2027 an werde es bei Neubauten auch eine Gründachpflicht geben, so dass dann 70 Prozent der Dachflächen begrünt und zu mindestens 30 Prozent mit Solaranlagen belegt sein müssen, sofern das technisch und wirtschaftlich möglich ist. Wegen der hohen Investitionskosten kündigte Kerstan ab 2024 Förderprogramme an, mahnte aber zur Eile: „Wer die nächsten drei Jahre abwartet, der muss ab 2027 auf eigene Rechnung ohne Förderung die Pflicht erfüllen.“

Gravierende Änderungen stehen auch bei den Heizungen an. Dem Gesetzentwurf zufolge müssen neue Heizanlagen von 2027 an zu mindestens 65 statt 15 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Klimaanlagen dürfen ab einer gewissen Größe nur noch dann neu installiert werden, wenn alternative Kühlungsmöglichkeiten nicht möglich sind. Ausgebaut werden soll zudem die Infrastruktur für Strom, Wasserstoff und öffentliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge.

Kerstan räumte ein, dass die Neuerungen mit teils erheblichen Investitionen der Hauseigentümer verbunden seien, die durch Förderungen abgemildert würden, aber auch an die Mieterinnen und Mieter weitergereicht werden könnten. Diese hätten auf der anderen Seite aber auch erhebliche Einsparungen bei den Nebenkosten.

„Die Lage ist ernst, wir meinen das ernst und wir machen jetzt auch ernst“, sagte Kerstan. Der Klimawandel schreite voran „und geht schneller und heftiger vonstatten als wir das noch vor wenigen Jahren gedacht haben“. Durch die Verschärfung der Klimavorgaben sollen bis 2030 rund drei Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart werden. Zudem würden die generellen Einsparziele noch einmal erhöht. „Bis 2030 wollen wir 70 Prozent CO2 einsparen. Das ist ein ehrgeizigeres Ziel als der Bund es beschlossen hat mit 65 Prozent“, sagte Kerstan. Bislang lag das Ziel bei 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990. Klimaneutralität soll nun 2045 statt 2050 erreicht werden.

Die Klimabewegung Fridays for Future (FFF) Hamburg bezeichnete das überarbeitete Klimaschutzgesetz als unzureichend. „Ein weiteres Mal unzulängliche Ziele gesetzlich zu verankern und damit ein weiteres Eskalieren der Klimakrise in Stein zu meißeln, ist an Verantwortungslosigkeit kaum zu überbieten“, sagte FFF-Sprecherin Annika Rittmann. Insbesondere im Gebäudebereich werde deutlich zu wenig für Klimaschutz und Mieterinnen und Mieter getan. „Dabei müsste doch gerade eine SPD geführte Regierung für gerechte Sanierungsauflagen einstehen“, sagte FFF-Sprecherin Elisa Bas.

Auch die Umweltorganisationen BUND und Nabu zeigten sich kritisch. Mit dem beabsichtigten Gesetzesrahmen seien die Klimaziele kaum zu erreichen, erklärte der BUND. Die Organisation fordere, im neuen Klimaschutzgesetz auf Landesebene die Befugnis einer Klagemöglichkeit für Bürger und Umweltverbände zu verankern, so wie sie zur Verletzung von Naturschutzbelangen auf Bundes- und europäischer Ebene vorliege, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Lucas Schäfer. Erst 2030 zu erkennen, dass die Klimaziele nicht erreicht worden seien, „können wir uns unter keinen Umständen mehr leisten“.

„Mit diesem Klimaschutzgesetz wird Bürgermeister Peter Tschentscher dem selbst erklärten Anspruch, Hamburg europaweit zur ersten klimaneutralen Industriegroßstadt zu machen, nicht gerecht“, sagte Schäfer. Hamburgs Nabu-Vorsitzender Malte Siegert kritisierte, dass in dem Gesetz nicht einmal das Wort „Natur“ vorkomme. „Bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterschätzt das Gesetz damit die Möglichkeiten von Renaturierung und Schutz natürlicher Flächen.“ Die Linken-Bürgerschaftsabgeordnete Stephan Jersch sagte: „Wenn wir bei der Umsetzung beim bisher vorgelegten Tempo bleiben und der Senat nicht mal ein zeitnahes Monitoring zusagen kann, sehe ich dem neuen Klimaschutzgesetz sehr kritisch entgegen.“

Die CDU-Bürgerschaftsfraktion wiederum sieht vor allem hohe Kosten auf Bürger und Unternehmen zukommen. „Durch die willkürlich ideologisch getriebene Energiepolitik der Grünen, erhalten Hamburgs Unternehmen einen echten Wettbewerbs- und Standortnachteil“, warnte CDU-Energieexperte Stephan Gamm. Ähnlich äußerte sich die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein: „Wenn Kerstan eine Deindustrialisierung und schwere Schäden für die Wirtschaft der Stadt verhindern will, muss er rasch und vor allem konkret Förderung und Subventionen klären, mit deren Hilfe seine Klimavorschriften umgesetzt werden können.“ Die AfD sprach von einem quasireligiösen Klimafanatismus auf Kosten der Hamburger Bürger und Unternehmen.