Die Sedan-Schlacht und ihre Glorifizierung stehen für entwertende Feindbilder.
Johanna Meyer-Lenz, Initiative „Sedanstraße umbenennen“
Die Historikerin Johanna Meyer-Lenz, Mitglied der Initiative, sagte dem Abendblatt: „Die Sedan-Schlacht und ihre Glorifizierung stehen für entwertende Feindbilder. Und auch für das Propagieren von Krieg mit all seinen Folgen als legitimes Mittel der Politikführung, die Unterordnung aller gesellschaftlichen Bereiche unter die Machterweiterung und die Abwehr fortschrittlichen zivilgesellschaftlichen Engagements.“
Bürgermeister von Sedan reagiert auf Initiative
Die Initiative hat inzwischen sogar an den Bürgermeister von Sedan, Didier Herbillon, geschrieben und ihm von ihrer Mission berichtet. In einem Antwortschreiben, das dem Abendblatt vorliegt, lobt Herbillon den Vorstoß: „Meiner Einschätzung nach handelt es sich hier um eine hervorragende Initiative“, so der Bürgermeister. Sie sei „das wahrnehmbar konkrete Zeichen“ dafür, dass die seinerzeit ausgetragenen Konflikte (…), die unsere beiden Nationen entzweit hätten, heute nicht mehr Anlass von Spannungen zwischen beiden Völkern seien.
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Und weiter: „Die Niederlage von 1870 hat sich in unserer Stadt wie mit einem glühenden Eisen eingebrannt. So wurde der Name unserer Stadt über Jahrzehnte gemäß der Auffassung führender Politiker sowie zahlreicher Franzosen geradezu systematisch mit dieser Niederlage assoziiert.“
Ludwig Baumann als neuer Namensgeber?
Dass eine mögliche Umbenennung mit viel bürokratischem Aufwand verbunden ist, lassen Meyer-Lenz und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter nicht gelten. Laut Meyer-Lenz habe die Straße lediglich 29 Hausnummern und zudem relativ wenige private Anwohner. An der 1899 benannten Sedanstraße befinden sich unter anderem Fachbereiche der Universität, ein Studierendenwohnwohneheim sowie eine Polizei- und eine Feuerwehrwache.
Die Initiative schlägt vor, die Straße nach dem Gründer und langjährigen Vorsitzenden der Bundesvereinigung „Opfer der NS-Militärjustiz“, Ludwig Baumann (1921 bis 2018), zu benennen. Baumann, der im Zweiten Weltkrieg desertiert war, setzte sich in seinen letzten Lebensjahrzehnten für die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure ein. Ein wichtiges Anliegen war ihm stets auch die Errichtung eines „Gedenkorts für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz“ in seiner Geburtsstadt Hamburg.
Linke und Grüne unterstützen die Initiative
Unterstützt wird der Vorstoß der Initiative von Linken und Grünen in der Bezirksversammlung. Falk Schmidt-Tobler (Grüne) schränkte allerdings ein, dass noch nicht abschließend geklärt sei, ob die Benennung nach Ludwig Baumann die richtige Wahl sei. Schmidt-Tobler, der auch Vorsitzender der Bezirksversammlung ist, verweist zudem darauf, dass in Hamburgs Bezirken eigentlich Konsens darüber herrsche, bei Neu- beziehungsweise Umbenennungen von Straßen Frauen zu bevorzugen, weil Männernamen wesentlich häufiger im Straßenbild vertreten sind.
Auch könne er sich vorstellen, dass andere Namen speziell die deutsch-französische Freundschaft wesentlich deutlicher unterstreichen würden. Schmidt-Tobler glaubt, dass ein Antrag zur Umbenennung noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden kann.
SPD noch unentschlossen, die CDU dagegen
Unklar ist innerhalb der mit wechselnden Mehrheiten agierenden Bezirksversammlung allerdings noch, wie die SPD zu dem Thema steht. Erst am vergangenen Mittwoch hatte es wieder ein Gespräch zwischen Vertretern der Initiative und der Bezirks-SPD gegeben.
Der kulturpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Ernst Christian Schütt, wollte sich auf Nachfrage nicht festlegen lassen. Bei der SPD gebe es noch keine einheitliche Linie dazu, man befinde sich noch in der Findungsphase. Auch eine „Kontextualisierung“, also zum Beispiel die Ergänzung mit einer Erläuterungstafel, sei vor Ort möglich. Schütt machte aber deutlich, dass die SPD für derartige Umbenennungen grundsätzlich aufgeschlossen sei. Ein Beispiel sei die Umbenennung der Wolfgang-Meyer-Sportanlage in Sportpark Eimsbüttel.
Die kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Jutta Höflich, sieht eine Umbenennung kritisch. „Das wird es mit uns nicht geben“, so Höflich. „Geschichte müsse immer auch Raum für Interpretationen zulassen, insofern sei eine erklärende Ergänzung des Straßennamens der richtige Weg. „Auch wir sind natürlich gegen die Glorifizierung von Gewalt“, so Höflich, „aber wenn es nur danach ginge, müsste man in Hamburg ja zig Straßennamen umbenennen.“ Letztlich werde durch eine Umbenennung auch die Chance auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem dann abgeschafften Straßennamen vertan.
Gedenken an Sedan Eine Sedanstraße gibt es in vielen deutschen Städten. Der Name erinnert an die Kapitulation der französischen Armee am 2. September 1870 nach der Schlacht bei Sedan, in der preußische, bayerische, württembergische und sächsische Truppen nahe der französischen Stadt den entscheidenden Sieg im Deutsch-Französischen Krieg errungen hatten. Im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) war der „Sedantag“ ein wichtiger Gedenktag, der jährlich um den 2. September mit vielen Festen gefeiert wurde.
Aktualisiert: Sa., 11.02.2023, 05.35 Uhr
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