Hamburg. Zwei Menschen sind tot, fünf weitere wurden teils schwer verletzt. Die Messerattacke in einem Regionalzug erschüttert und wirft Fragen auf: Wie konnte es passieren und hätte es verhindert werden können? Die Behörden müssen erst einmal klären, wann wer was wusste.

Nach der tödlichen Messerattacke mit zwei Toten in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg schieben sich die Behörden in beiden Städten in Bezug auf den Umgang mit dem mutmaßlichen Täter gegenseitig die Verantwortung zu. Man habe die Kieler Ausländerbehörde bereits früh über eine Inhaftierung des 33 Jahre alten Palästinensers Ibrahim A. in der Hansestadt informiert, sagten Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) und eine Vertreterin der Innenbehörde am Donnerstag im Justizausschuss der Bürgerschaft. Zudem habe es mehrere vergebliche Versuche gegeben, Kontakt zu der Kieler Behörde aufzunehmen.

Am Vortag hatte die schleswig-holsteinische Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) bemängelt, dass Informationen aus Hamburg zum mutmaßlichen Täter nicht in Schleswig-Holstein angekommen seien.

Ibrahim A. war im November 2021 nach Hamburg gekommen, nachdem ihm in einer Kieler Unterkunft Hausverbot erteilt worden war. In Hamburg war der Drogenabhängige und mehrfach einschlägig Vorbestrafte kurz nach seiner Ankunft wegen eines Gewaltdelikts mit einem Messer festgenommen worden.

Bereits einen Tag nach dessen Antritt der Untersuchungshaft in der Hansestadt im Januar 2022 hat ein Polizeibeamter laut Innenbehörde die Kieler Ausländerbehörde per Mail darüber informiert und um Rücksprache gebeten. Allerdings habe es trotz mehrfacher Wiederholungen keine Reaktion gegeben.

Erst als man sich Anfang März an die Zuwanderungsstelle in Kiel gewandt habe, sei eine Reaktion erfolgt, sagte die Abteilungsleiterin für Öffentliche Sicherheit in der Innenbehörde. Man habe den Kielern mitgeteilt, dass sich A. in Untersuchungshaft befinde, welche Straftaten ihm in Hamburg zur Last gelegt würden und welche zuvor bereits aktenkundig geworden seien.

Zudem habe die Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder der Kieler Ausländerbehörde am 4. und 5. Mai Unterlagen zu Ibrahim A. zugesandt, sagte Gallina. Zuletzt habe die JVA im November 2022 den Kontakt mit der Ausländerbehörde in Kiel gesucht, um den ausländerrechtlichen Status des Gefangenen zu klären.

Zu dem Kieler Vorwurf, aus Hamburg nicht ausreichend informiert worden zu sein, wollte sich die Senatorin nicht direkt äußern. Es gehe ihr nicht darum, „irgendwo einen Schwarzen Peter hinzuschieben, sondern das ist die Aktenlage“. Ihr sei es zunächst darum gegangen, zu klären, „ob die Entscheidungen an die entscheidenden Stellen gegangen sind - und das sind sie“.

Auch den Vorwurf, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht über die Inhaftierung von A. informiert zu haben, wies Gallina zurück. Das Bamf sei seit März 2022 in die Kommunikation eingebunden gewesen.

Ibrahim A. soll am Mittwoch vergangener Woche im einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg mit einem Messer auf andere Fahrgäste eingestochen haben. Zwei junge Menschen starben, fünf weitere wurden teils schwer verletzt. Knapp eine Woche zuvor war der 33-Jährige aus der U-Haft in Hamburg entlassen worden.

Während seiner Untersuchungshaft habe er sich 16 Mal mit einem Psychiater getroffen. Grund seien psychische Auffälligkeiten während der Haft gewesen, sagte Hamburgs Justizstaatsrat Holger Schatz. So habe der A. nach eigenen Angaben „Stimmen und Geräusche“ gehört. Zudem habe es in der JVA zwei Zwischenfälle gegeben. Zum einen sei der Behörde eine Tätlichkeit im Zusammenhang mit einem Streit mit einem Mitgefangenen gemeldet worden. Zum anderen habe A. mit einer Tasse nach einem Vollzugsbediensteten geworfen, als ihm eine zweite heißen Tees versagt worden war.

In seinen Beurteilung - zuletzt kurz vor der Entlassung - habe der Psychiater aber keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass der Mann für sich oder andere eine Gefahr darstellen könnte. Allerdings sei es nur um eine Beurteilung des Gefangenen zum konkreten Zeitpunkt, gegangen, betonte Gallina, und nicht um ein Prognosegutachten.