Schleswig (dpa/lno). Neue Runde im Streit um die Finanzierung einer Altlastensanierung in der Schlei: Einem Rechtsgutachten zufolge gehört dem Bund 64 Prozent der kontaminierten Fläche. Demzufolge muss er auch diesen Anteil der Kosten tragen. Aktuell will der Bund nur einen Bruchteil zahlen.

Der Dreck muss weg: Da sind sich alle einig. Doch wer muss wie viel für die Altlastensanierung der kontaminierten Flächen der Wiking-Halbinsel in Schleswig zahlen? In dieser Frage herrscht Zwist unter anderem zwischen dem Bundesverkehrsministerium und dem Kreis Schleswig-Flensburg.

Am Donnerstag legte der Kreis in dem Streit ein neues Rechtsgutachten zu den Eigentumsverhältnissen vor. Dem Gutachten des See- und Umweltrechtlers Alexander Proelß zufolge ist der Bund im Jahr 1949 Eigentümer der zur Seewasserstraße Schlei zählenden Grundstücke der Sanierungsfläche „Wikingeck“ - unabhängig davon, dass er nicht für alle Grundstücke als Eigentümer im Grundbuch eingetragen sei. Auch die Flächen, die nach 1921 verlandet seien, gehören demnach zur früheren Reichswasserstraße Schlei, deren Eigentümer laut Grundgesetz Artikel 89 heute der Bund ist.

Demnach liege der Anteil, der dem Bund an der kontaminierten Fläche gehöre, bei 64 Prozent und nicht wie zuletzt mitgeteilt bei 12 Prozent, sagte Landrat Wolfgang Buschmann am Donnerstag. Diesen Sachstand habe der Kreis auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mitgeteilt.

Der damalige Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), hatte 2021 die mündliche Zusage erteilt, dass der Bund 66 Prozent der Kosten der Altlasten-Sanierung übernimmt. Das Bundesverkehrsministerium sieht sich den Angaben zufolge daran aber nicht mehr gebunden.

Von dem Grundstück eines ehemaligen Gaswerks und einer Teer- und Dachpappenfabrik am Wikingeck gelangen giftige Stoffe durch den kontaminierten Boden in die Schlei. Das betroffene Areal umfasst rund 6110 Quadratmeter Land- und etwa 3400 Quadratmeter Wasserfläche. Die Sanierungskosten belaufen sich früheren Angaben zufolge auf rund 28 Millionen Euro.

Die Kostenübernahme bei Altlastensanierungen ist im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelt. Danach wird in der Regel der Verursacher herangezogen. Ist dieser nicht greifbar, kann stattdessen auf den Grundstückseigentümer zurückgegriffen werden. Im Fall des Wikingecks können weder die ehemaligen Betreiber der Dachpappenfabrik noch deren Rechtsnachfolger sowie die des Gaswerks in Anspruch genommen werden.

Landrat Buschmann betonte, die Sanierung müsse möglichst schnell beginnen. Ziel sei, die Baumaßnahmen bis Ende März europaweit auszuschreiben und im Herbst mit den Arbeiten zu beginnen. „Ansonsten würde ein weiteres Jahr ungenutzt verstreichen, währenddessen weiterhin ungehindert große Mengen an Teeröl in die Schlei austreten“, hieß es in dem Brief an Wissing.

Der Landrat will dem Kreistag Anfang März daher vorschlagen, notfalls die gesamten Kosten vorzufinanzieren, wenn der Bund seine Meinung nicht ändern werde. Dann müsse im Anschluss versucht werden, das Geld in einem im Zweifel jahrelangen Rechtsstreit vom Bund zurückzubekommen. Das vorgestreckte Geld würde während dieser Zeit für andere Projekte fehlen.

Unterstützung bekommt der Kreis unter anderem von der Landespolitik. Ende Januar wurde mit großere Mehrheit ein Antrag verabschiedet, in dem der Bund aufgefordert wird, seinen Beitrag an den Sanierungskosten zu übernehmen, der „deutlich höher liegt als die vom Bund angekündigten 12 Prozent“.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck teilte am Donnerstag in seiner Funktion als örtlicher Wahlkreisabgeordneter der Grünen mit, er hoffe, „dass das Gutachten des Kreises es ermöglicht, dass das Verkehrsministerium die notwendigen Zahlungen zur Sanierung nun freigibt und so seine Zusagen erfüllt“.

„Das Gutachten bestätigt wie erwartet unsere Auffassung, wonach der Bund überwiegend Eigentümer der zu sanierenden Flächen ist und deshalb auch einen Hauptanteil der Kosten zu tragen hat“, erklärte der SSW-Umweltpolitiker Christian Dirschauer. Ob das Gutachten den Bundesverkehrsminister zum Umdenken bewege, dürfe aber bezweifelt werden. Wissings Strategie scheine es zu sein, den Kreis Schleswig-Flensburg in die Enge zu treiben. „Spätestens jetzt erwarte ich ein Machtwort von Vizekanzler Robert Habeck. Das Wikingeck ist schließlich eine der größten umweltgefährdenden Altlasten Schleswig-Holsteins.“

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Petra Nicolaisen sowie ihr Landtagskollege Thomas Jepsen (CDU) forderten, der Bund müsse seine Verantwortung bei der Sanierung in vollem Umfang wahr nehmen. Nicolaisen kritisierte, dass Ferlemanns Zusicherung, der Bund werde 66 Prozent an der Sanierung übernehmen, von der aktuellen Bundesregierung missachtet werde. „Diese Missachtung widerspricht üblichen parlamentarischen Gepflogenheiten. So schafft man kein Vertrauen in die Politik, sondern befördert Misstrauen.“