Hamburg. Nach elf Wochen Winter- und WM-Pause startet die 2. Fußball-Bundesliga in ihre Rückrunde. Die sechs norddeutschen Clubs haben verschiedene Ambitionen.

Die Ausgangslagen der sechs norddeutschen Fußball-Zweitligisten vor dem Start in die Rückrunde sind höchst unterschiedlich. Der Tabellenzweite Hamburger SV will endlich wieder in die Bundesliga zurückkehren und am heutigen Sonntag (13.30 Uhr/Sky) gegen die abstiegsbedrohte Eintracht aus Braunschweig ein erstes Statement setzen. Hannover 96 muss am Samstag (20.30 Uhr/Sky und Sport1) im Verfolgerduell gegen den 1. FC Kaiserslautern mit einem Sieg den Anschluss nach oben halten.

Im Mittelfeld der Tabelle sind Holstein Kiel und Hansa Rostock. Die Kieler starten am Samstag (13.30 Uhr/Sky) gegen die SpVgg. Greuther Fürth in die zweite Halbserie, Hansa ist zu derselben Zeit beim Tabellendritten 1. FC Heidenheim zu Gast.

Hinter Eintracht Braunschweig schloss der FC St. Pauli als Tabellen-15. die Hinrunde ab. Die Hoffnungen liegen vor dem Rückrundenauftakt am Sonntag (13.30 Uhr/Sky)beim 1. FC Nürnberg auf dem zum Cheftrainer beförderten Fabian Hürzeler.

Hamburger SV: Ausgangslage: Der HSV geht als Tabellenzweiter in die Rückserie. Nur der Aufstieg zählt. Seit dem Abstieg 2018 verspielten die Hamburger durch Schwächephasen in der Rückserie regelmäßig ihre guten Ausgangssituationen.

Positiv: Die wichtigsten Personalien in der Winterpause hatten nichts mit der Mannschaft zu tun: Sportvorstand Jonas Boldt verlängerte seinen Vertrag bis 2025, zum Finanzvorstand wurde Eric Huwer befördert, und Trainer Tim Walter unterschrieb bis 2024. Das Team musste indes den Abgang von Linksverteidiger Tim Leibold (Sporting Kansas City) verzeichnen, außerdem reagierte der HSV auf die Dopingsperre von Innenverteidiger Mario Vuskovic. Noah Katterbach (1. FC Köln) und der Spanier Francisco Javier Montero (Besiktas Istanbul) wurden ausgeliehen. Zudem fanden die Hamburger in dem 20 Jahre alten ungarischen Stürmer-Talent Andras Nemeth kurz vor dem Rückrunden-Start eine Alternative für den derzeit unverzichtbaren Torjäger Robert Glatzel. Mittelfeldspieler Sonny Kittel bleibt zur Freude von Trainer Tim Walter. Das große Plus des HSV sind aber die Fans: Beinahe jede Partie im Volksparkstadion ist ausverkauft. Für die Stimmung und die Finanzen ein unschätzbarer Wert.

Noch offen: Der Doping-Fall Vuskovic ist noch nicht geklärt. Am 3. und 9. Februar wird vor dem DFB-Sportgericht verhandelt. Es droht eine Vier-Jahres-Sperre. Der 21-Jährige zählte in der Hinrunde zu den Leistungsträgern. Eine lange Sperre wäre nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich für den HSV ein Verlust.

Hannover 96:

Ausgangslage: Nach einem großen Umbruch im Sommer haben die Niedersachsen schon jetzt Kontakt zu den Aufstiegsplätzen. Die Bundesliga-Rückkehr hielt man eigentlich erst nächstes Jahr für realistisch.

Positiv: Zwölf neue Spieler und ein neues Trainerteam holten die 96er im Sommer. Der sportliche Erfolg stellte sich dennoch schon früher ein, als dies nach einem solchen Neuaufbau zu erwarten war. Transfers wie Derrick Köhn, Havard Nielsen, Fabian Kunze und Phil Neumann schlugen voll ein. Hannover überwinterte in Lauerstellung zu den Aufstiegsrängen auf Platz fünf. Trainer Stefan Leitl und Sportdirektor Marcus Mann vertrauen dem Kader und verzichten auf Wintertransfers.

Noch offen: Die Frage ist, ob es schon für ganz oben reicht. Die Niedersachsen verloren in der Hinrunde gegen alle vier Teams, die in der Tabelle noch vor ihnen stehen. Auch gegen den Samstags-Gegner 1. FC Kaiserslautern (1:2).

Holstein Kiel:

Ausgangslage: 25 Punkte und Hinrunden-Platz acht. Die „Störche“ haben sich nach dem verpassten Aufstieg in der Saison 2020/21 und den Schwierigkeiten der vergangenen Serie wieder im Mittelfeld der Liga etabliert.

Positiv: Unter dem seit Oktober 2021 arbeitenden Trainer Marcel Rapp haben sich die Leistungen stabilisiert. Angesichts der Torhüter-Misere um den verletzten Torwart Thomas Dähne wurde in Robin Himmelmann ein starker Mann verpflichtet. Der frühere St.-Pauli-Keeper sitzt zunächst aber auf der Bank. Rapp setzt aktuell auf Tim Schreiber. Angreifer Holmbert Fridjonsson kehrte in guter Form von der Leihe beim norwegischen Club Lilleström SK zurück.

Noch offen: Wohin geht die Kieler Reise? Der Rückstand auf den Relegationsplatz zur Bundesliga betrug nach der Hinrunde ebenso acht Punkte wie auf Platz 16. Schon die erste Partie gegen die SpVgg Greuther Fürth ist ein wichtiger Gradmesser für die zweite Saisonhälfte.

Hansa Rostock:

Ausgangslage: Platz neun mit 21 Zählern ist für die Rostocker ein sehr gutes Ergebnis. Zumal die zweite Saison für einen Aufsteiger immer als die schwierigere gilt.

Positiv: Nach der überraschenden Trennung von Aufstiegstrainer Jens Härtel, der von Januar 2019 bis November 2022 das Kommando geführt hatte, übernahm Patrick Glöckner. Der neue Coach startete in den beiden letzten Spielen der Hinrunde mit einem 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg und einem 1:0 gegen Eintracht Braunschweig. In der Winterpause hatte er die Gelegenheit, der Mannschaft seinen Stempel aufzudrücken. Nach zwei Siegen in den beiden ersten Testspielen blieb Hansa in den folgenden Vorbereitungspartien dann aber ohne Erfolg. Noch offen: Bislang haben sich die Mecklenburger in der aktuellen Transferperiode zurückgehalten. Sportchef Martin Pieckenhagen wollte aber nicht ausschließen, dass sich im Kader noch etwas bewegt: „Wir waren in der Vergangenheit immer mal für eine Überraschung gut.“

Eintracht Braunschweig:

Ausgangslage: Der Aufsteiger überwinterte auf einem Nicht-Abstiegsplatz. Der Vorsprung auf Rang 16 und 17 beträgt aber nur ein Punkt.

Positiv: Nach den ersten sechs Spielen stand die Eintracht mit nur einem Punkt da - und schien wie schon beim vorangegangenen Abstieg in der Saison 2020/21 nicht konkurrenzfähig zu sein. Doch mit großem Teamgeist, einigen Verstärkungen (Benkovic, Pherai, Ujah) und einer für jeden Gegner unangenehmen Spielweise kämpften sich die Braunschweiger in diese Liga hinein. Die Wintertransfers Linus Gechter (Hertha BSC) und Hasan Kurucay (zuletzt Hamarkameratene in Norwegen) füllten zumindest die verletzungsbedingt stark geschwächte Abwehr wieder auf.

Noch offen: Die Eintracht hat Verletzungsprobleme wie kein anderer Zweitligist. Benkovic, Behrendt, Pherai, Ujah - mehrere Schlüsselspieler fallen noch lange aus oder konnten während der Wintervorbereitung über Wochen nicht mit dem Team trainieren. Das Auftaktprogramm ist zudem hart: Die ersten Drei der Hinrunden-Tabelle sind auch die ersten drei Gegner des neuen Jahres.

FC St. Pauli: Ausgangslage: Der FC St. Pauli überwinterte einen Platz vor der Abstiegszone. Der beliebte Trainer Timo Schultz musste gehen.

Positiv: Den Nachfolger von Schultz fanden die Verantwortlichen im eigenen Club. Fabian Hürzeler war unter Schultz Assistenz-, wurde nach der Trennung dann erst Interims- und schließlich Cheftrainer. Mit 29 Jahren ist er der jüngste Trainer in der 1. und 2. Bundesliga. Hürzeler hat versucht, der Mannschaft eine neue Struktur und taktische Ausrichtung zu geben. Als starker Zugang könnte sich der Este Karol Mets (FC Zürich) für die Innenverteidigung erweisen. Er ist zum Rückrunden-Auftakt gesetzt.

Noch offen: Gleich drei neue Stürmer holten die Hamburger in der Saisonhalbzeit. Oladapo Afolayan (Bolton Wanderers), Maurides Roque Junior (Radomiak Radom) und Elias Saad (Eintracht Norderstedt) sollen die Angriffsmisere beheben. In der Vorbereitung auf die Rückrunde drängte sich aber einer auf, der schon seit Juli dabei ist: David Otto traf unter anderen zuletzt im Test gegen Borussia Mönchengladbach zum entscheidenden 1:0 und gilt erst einmal in der Angriffsspitze gesetzt.