Kiel (dpa/lno). Bröckelt der Widerstand des Landtags gegen CCS? Das Parlament will Experten zur umstrittenen Technik zur Verpressung von Kohlendioxid hören. Ministerpräsident Günther ist offen für eine Nutzung. Er nennt im Parlament seine Gründe.

Die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid rückt in Schleswig-Holstein in den Fokus des Landtags. Mit den Stimmen von CDU und Grünen beschloss das Parlament am Freitag eine Expertenanhörung. Zuvor hatte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betont, die Technik CCS sei gut beherrschbar und die Risiken seien lokal begrenzt. Ein Einlagern von CO2 an Land und innerhalb der 12-Meilen-Zone schloss er aus. Kritiker fürchten ein Entweichen des Gases aus den Speichern. Außerdem fürchten sie, dass mit der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) der Anreiz sinkt, Treibhausgase von vornherein zu vermeiden.

Die Debatte über CCS hatte durch Äußerungen von Günther in der vergangenen Woche Fahrt aufgenommen und auch Differenzen in der schwarz-grünen Koalition offenbart. Der Landtag hatte die Nutzung dieser Technik im Juni 2022 noch einstimmig abgelehnt.

Für Günther hat das Einsparen von CO2 höchste politische Priorität: „Wenn länderübergreifend Wissenschaftler und Ingenieure sich für CCS aussprechen, dann sollten wir in Deutschland dieses Thema diskutieren.“ Forschende seien sich einig, dass die Speicherung von Kohlendioxid weit draußen unter dem Meeresboden ein signifikanter Beitrag sein könne, die Klimaziele zu erreichen.

Das Reduzieren von Treibhausgasen müsse unabhängig von CCS Vorrang haben, versicherte Günther. „Ich freue mich über ganz viel zusätzliches CO2, das wir einsparen.“ Ein Export in andere Länder, um Kohlendioxid dort zu speichern, sei jedenfalls keine Lösung. „CCS kann nur für die absolut unvermeidbaren CO2-Emissionen in Frage kommen.“ Ziel der Landesregierung sei kein Sonderweg. Es müssten aber Voraussetzungen geschaffen werden, die Technik in der deutschen Nordsee zu testen. Wirklich beunruhigend seien für ihn die Klimafolgen.

Kritik kam von der Opposition. Der Parlamentarische Geschäftsführer des SSW, Christian Dirschauer, warf Günther vor, den einstimmigen Parlamentsbeschluss zu untergraben. „Die Menschen in Schleswig-Holstein wollen CCS nicht. Nicht an Land und nicht im Meer.“ Die Debatten seien „einfach nur schräg“. Bürger würden verunsichert. „Das geht so nicht.“ Er sprach von einer im Zweifel unbeherrschbaren Risikotechnologie und einem Feigenblatt für versäumte Klimaschutzpolitik.

SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller sprach gar von einem Ablenkungsmanöver. „Ja, man darf auch daran forschen und es wird Restmengen geben, die man irgendwann unterbringen muss“, sagte der Oppositionsführer. Die Union wolle die großen Probleme aber nicht angehen und liefere nur Scheinlösungen.

Ins Visier nahm Losse-Müller Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter: „Man kann ihnen die Schmerzen ansehen.“ Petersdotter will sich der komplexen Diskussion stellen und die Argumente zu CCS abwägen. Das offensichtliche klimapolitische Dilemma dürfe die Politik nicht ignorieren und bei den CO2-Emissionen „immer weiter Richtung Wand fahren“. Ein Einsatz von CCS dürfe kein Weiter so nach sich ziehen.

Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) sagte: „Die Welt steckt bis zum Hals im Klimakrisen-Schlamassel.“ Chancen und Risiken der Technologie müssten wissenschaftlich fundiert breit diskutiert werden. „Das Parlament ist dafür genau der richtige Ort, denn die harte politische Auseinandersetzung über die CCS-Technologie ist eng mit der jüngeren Landesgeschichte verknüpft und der Landtag hat sich in der Vergangenheit zurecht klar ablehnend positioniert.“

Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP, Oliver Kumbartzky, ist eine technologieoffene Debatte längst überfällig. Günthers Äußerungen seien begrüßenswert und es sei ihm nicht bekannt, dass der Regierungschef bereits Genehmigungen erteilt „oder selbst CO2 verpresst hätte“.