Hamburg. Der mutmaßliche Messerangreifer im Regionalzug nach Hamburg saß kurz vor der Tat in der Hansestadt in U-Haft - wegen eines anderen Messerdelikts. Die Opposition in der Bürgerschaft verlangt nun Antworten von der Hamburger Justiz und der zuständigen Senatorin.

Nach der Messertat in einem Regionalzug haben die Oppositionsfraktionen in der Hamburgischen Bürgerschaft den Opfern und ihren Angehörigen ihr Mitgefühl ausgesprochen und zugleich eine gründliche Aufklärung der Tat gefordert. CDU-Fraktionschef Dennis Thering erklärte: „Insbesondere die Hamburger Justiz und die zuständige Senatorin (Anna) Gallina (Grüne) müssen sich, nach allem was wir bisher wissen, fragen lassen, ob der bisherige Umgang mit dem mutmaßlichen Täter tatsächlich angemessen war.“ Ein 33-jähriger Palästinenser soll am Mittwoch nach Polizeiangaben in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg auf Reisende eingestochen haben. Bei der Tat am Bahnhof von Brokstedt wurden eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger getötet und fünf weitere Menschen verletzt.

Der mutmaßliche Angreifer saß zuvor wegen eines anderen Messerangriffs in Hamburg ein Jahr in Untersuchungshaft. Er sei am 18. August 2022 vom Amtsgericht Hamburg-St. Georg zu einem Jahr und einer Woche wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls verurteilt worden, teilte Gerichtssprecher Kai Wantzen am Donnerstag mit. Dem nicht rechtskräftigen Urteil zufolge hatte der heute 33-Jährige am 18. Januar 2022 einen Mann vor einer Hamburger Obdachlosenunterkunft mit einem Messer angegriffen und verletzt. Beide hätten in einer Schlange zur Essensausgabe gestanden und seien in Streit geraten.

Gegen das Urteil hatte der 33-Jährige Berufung eingelegt. Das Landgericht habe zunächst Nachermittlungen veranlasst, außerdem habe es terminliche Schwierigkeiten mit einem Sachverständigen gegeben. Deswegen habe ein Termin für einen neuen Prozess nicht angesetzt werden können. Weil die Dauer der Untersuchungshaft die Strafe des Amtsgerichts zu überschreiten drohte, habe das Landgericht den Haftbefehl am 19. Januar aufgehoben. Da nur der Verurteilte Berufung gegen das Urteil eingelegt hatte, hätte das Landgericht keine längere Haftstrafe aussprechen dürfen, erklärte Wantzen.

CDU-Fraktionschef Thering warf dennoch die Frage auf: „Wie kann es sein, dass jemand, der mutmaßlich mit einem Messer mehrfach auf einen anderen Mann eingestochen habe, lediglich zu einem Jahr und einer Woche Haft verurteilt wird?“ Die Fraktion werde beantragen, dass sich der Justizausschuss der Bürgerschaft mit dem Thema befasse, und erwarte umfassende Aufklärung von Senatorin Gallina.

Auch der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Deniz Celik, erklärte: „Es ist eine furchtbare Tat, und sicher muss sich die Justiz unbequeme Fragen gefallen lassen.“ Neben der Bestürzung und Trauer über diese Tat gebe es auch Wut: „Weit über die AfD hinaus nutzen politische Akteur:innen das Blutbad, um Stimmung zu machen gegen Geflüchtete und um neue Debatten über vermeintlich überfällige Abschiebungen anzustoßen.“ Doch der mutmaßliche Täter sei legal im Land und nicht ausreisepflichtig gewesen. Die Verhinderung solcher Taten sei als Aufgabe für Prävention und Justiz zu sehen „und nicht als eine neue Steilvorlage, um auf politisch unverantwortliche Weise am rechten Rand nach Stimmen zu fischen“, sagte der Linken-Abgeordnete.

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann forderte: „Die Kuscheljustiz gepaart mit der rot-grünen Politik der offenen Grenzen muss ein Ende haben.“ Er forderte umfassende Aufklärung der Tathintergründe. „Wie kann es sein, dass ein Messerangreifer eine Woche nach Haftentlassung zum Wiederholungstäter wird?“, fragte der AfD-Abgeordnete.