Hamburg (dpa/lno). Not macht erfinderisch: Um mehr Kapazitäten für die Unterbringung von Geflüchteten zu schaffen, testet man in Hamburg den Einsatz von Tiny Houses. Weil freie Flächen in der Großstadt Mangelware sind, könnten sie für Entlastung sorgen - und die tut Not.

Die Stadt ist am Limit: Über 20.000 Plätze zur Flüchtlingsunterbringung hat Hamburg seit dem Sommer neu geschaffen - Ende des Jahres werden laut Sozialsenatorin Melanie Leonhard mehr als 50.000 Menschen in öffentlicher Unterbringung leben. Während Flächen, Material und Personal für neue Unterkünfte begrenzt seien, halte der Zustrom geflüchteter Menschen unvermindert an, sagte die Senatorin am Freitag beim Besuch einer fast fertigen neuen Unterkunft in Rothenburgsort. Und die Not macht erfinderisch: Die Stadt testet nun Tiny Houses - kleine, auf Anhängern aufgebaute Wohneinheiten -, die schnell und flexibel zur Schaffung zusätzlicher Unterbringungskapazitäten genutzt werden könnten.

„Wir nehmen in Hamburg jeden Tag rund um 100 - meist mehr - Menschen auf“, sagte die SPD-Politikerin. Den größten Teil machten Schutzsuchende aus der Ukraine aus, viele hätten Unterbringungsbedarf. „So dass es jetzt tatsächlich so ist wie im Herbst prognostiziert: dass wir die Schwelle erreichen werden von mehr als 50.000 Plätzen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung.“

500 Plätze soll die neue Unterkunft am ehemaligen Huckepackbahnhof in Rothenburgsort bieten. Die aus Containern zusammengesetzten Modulhäuser hätten sich schon während der Flüchtlingskrise 2015/2016 bewährt, „weil sie eine gute Wohnqualität haben“, sagte Leonhard. „Es entstehen zweimal sieben dieser Modulhäuser, es entsteht eine größere Gemeinschaftseinrichtung, ein Spielplatz und ein Bolzplatz, so dass für das Notwendigste gesorgt ist für die Menschen.“

Baustart war Mitte September, noch im Dezember soll die Belegung beginnen. „Das zeigt, dass wenn wir Flächen haben, die bebaubar sind, dass wir dann auch relativ zügig qualitativ akzeptable Unterkünfte schaffen können“, sagte Leonhard. Aber Flächen seien Mangelware. Die am Huckepackbahnhof könne man für eine Übergangszeit von etwas mehr als dreieinhalb Jahren nutzen. Bei dem hohen Tempo, in dem neue Unterkünfte geschaffen werden, stoße man auch personell an Grenzen. „Wir sind nicht nur materiell limitiert, vom Platz limitiert, sondern langsam haben wir auch Mühe, das geeignete Personal zu finden.“

Für Entlastung zumindest beim Platz könnten auch bald Tiny Houses sorgen. „Das ist eine Möglichkeit, die wir nutzen möchten, um mehr Unterbringungsmöglichkeiten anzubieten als nur die Halle, nur das Ankunftszentrum, nur die Großunterkunft.“

50 dieser kleinen Wohnanhänger - in denen zwei Zimmer mit Betten rechts und links von einer kleinen Küche und einem Sanitärraum in der Mitte getrennt sind - habe man bei einer Firma in den Niederlanden bestellt. Nun würden sie getestet. „Und wenn sich das bewährt, werden wir das ausweiten, weil wir dann auch in Stadtteilen, die bisher noch keine größeren Unterkünfte beherbergen, noch Plätze nutzen können, die sich jetzt nicht anbieten.“

Leonhard sagte, zudem könne sie sich die Tiny Houses als Ergänzung an bestehenden Einrichtungen vorstellen, beispielsweise an denen der Wohnungslosenhilfe oder einem Haus der Jugend - „überall dort, wo Infrastruktur schon da ist, an die man etwas andocken kann.“

Eines der vorrangigen Ziele sei es, mit den neuen Kapazitäten die Schulsporthallen, die jetzt noch zur kurzfristigen Unterbringung genutzt werden, wieder leer zu bekommen. „Das wird jetzt hoffentlich Schritt für Schritt erfolgen können“, sagte Leonhard. Es sei wichtig, weil die Hallen nicht nur den Schule fehlten, sondern sie auch dem Breitensport. Voraussetzung sei allerdings, dass die Zuwanderung nicht ansteige.

Angesichts der Lage in der Ukraine und der russischen Angriffe auf die Infrastruktur dort sei das jedoch fraglich. Zwar gebe die Bundesregierung keine Prognose zur Flüchtlingsentwicklung ab. „Aber wenn man den Fernseher anschaltet und sieht, wie die Zustände sich in der Ukraine verschlechtern hinsichtlich der Energieversorgung und dergleichen mehr, dann muss man davon ausgehen, dass mindestens die Zahlen so bleiben wie sie jetzt sind, womöglich auch noch ansteigen“, sagte Leonhard. „Und auch aus Afghanistan und Syrien ist ja die Zuwanderung zuletzt wieder angestiegen.“