Hamburg (dpa/lno). Der Fall hat alles, was ein Thriller braucht: (Versuchter) Auftragsmord, Darknet, Tip vom FBI, Bitcoins und Beziehungsstreit. Doch es nicht der Plot eines Films, sondern Teil einer Anklage wegen versuchter Anstiftung zum Mord. Ein Ehepaar muss sich in Hamburg dafür verantworten.

Während der Anklageverlesung hält sich die 49-jährige Ärztin auf der Anklagebank die Ohren zu. Was die anderen Anwesenden im Saal des Landgerichts Hamburg am Donnerstag zu hören bekommen, klingt wie aus einem Thriller: Um ihren ehemaligen Lebensgefährten töten zu lassen, habe die Angeklagte Anfang 2022 gemeinsam mit ihrem Ehemann versucht, einen Auftragskiller anzuheuern, trug Oberstaatsanwältin Stefanie Dittrich vor. Motiv soll ein Streit ums Sorgerecht für die gemeinsame Tochter gewesen sein. Die Angeklagte ist eine ehemalige Schönheitschirurgin, ihr Ehemann Unternehmer.

Den Mordauftrag - nebst Foto und Anschrift des Ex - posteten sie demnach auf einer Plattform im Darknet und zahlten dafür auch 15.000 Dollar in Bitcoin auf ein vermeintliches Treuhandkonto. Als nichts passierte, hätten die beiden Angeklagten über einen aktiven User der Website weiter versucht, die Tötung des Mannes zu erreichen - und sogar noch versucht, die Dringlichkeit des Auftrags mit der Behauptung zu untermauern, dass es um Kindesmissbrauch gehe, so die Staatsanwältin weiter.

Schließlich sei den Angeklagten im April vom Administrator der Website mitgeteilt worden, dass es sich um eine Betrugsmasche handele. Und: dass das Geld weg sei und es keine Auftragsmörder gebe.

Auf die Schliche kamen die deutschen Ermittlungsbehörden dem Ehepaar den Angaben zufolge durch einen Tipp des FBI, das die Auftragskiller-Vermittlung im Darknet offenbar beobachtet hatte.

Verhaftet wurden die beiden im Juni - die Frau in einem Hamburger Gerichtssaal, wo sie als Zeugin gegen ihren angeblich prügelnden früheren Lebensgefährten aussagen wollte. Dieser wurde später freigesprochen und tritt im aktuellen Verfahren als Nebenkläger auf.

Die Anwältin der Medizinerin machte nach der Verlesung der Anklage psychische Probleme ihrer Mandantin geltend: Die 49-Jährige sei nicht in der Lage „zuzuhören und wahrzunehmen“, sagte Gabriele Heinecke mit Blick auf die neben ihr sitzende Frau, die erst nach einer kurzen Prozessunterbrechung aufhörte, sich die Ohren zuzuhalten.

„Die Frau, die hier sitzt, ist aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr die Frau, die früher erfolgreich eine Praxis für Schönheitschirurgie betrieben hat, und auch nicht mehr die Frau, die Ende 2021 in einer persönlichen Ausnahmesituation“ gehandelt habe. Zugleich bemängelte die Verteidigerin, dass noch kein Vorgutachten über den psychischen Zustand ihrer Mandantin vorliege.

Zudem hätte die Staatsanwaltschaft die Identität des Betreibers der Auftragskiller-Seite im Darknet klären müssen. Da solche Seiten den Entschluss für einen Auftragsmord begünstigen könnten, wäre die Klärung der Identität auch für die Strafzumessung von Bedeutung, sagte sie - und deutete damit an, dass es sich um einen sogenannten Honeypot, eine Falle der Sicherheitsbehörden, gehandelt haben könnte.

Scharfe Kritik äußerte Heinecke zudem an der Berichterstattung über ihre Mandantin. Da die plastische Chirurgin auch Eingriffe im Intimbereich ihrer Patientinnen durchgeführt hatte, sei sie in den Medien sexistisch und beleidigend tituliert worden. Die Anwältin sprach von einer menschenverachtenden Entgleisung und von einem Missbrauch der Pressefreiheit.

Der 51 Jahre alte Ehemann der Ärztin äußerte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen. Der Prozess soll am 14. Dezember fortgesetzt werden. Im Falle einer Verurteilung wegen versuchter Anstiftung zum Mord drohen den Angeklagte Freiheitsstrafen von mindestens drei Jahren.