Buch für Eltern

Aufklärung von Kindern: Sexualwissenschaftlerin gibt Tipps

| Lesedauer: 4 Minuten
Christiane Kolb ist Sexualwissenschaftlerin, Mutter zweier Mädchen und Autorin.

Christiane Kolb ist Sexualwissenschaftlerin, Mutter zweier Mädchen und Autorin.

Foto: Mark Sandten / FUNKE FOTO SERVICES

Die Sexualwissenschaftlerin Christiane Kolb plädiert für klare Sprache – auch wenn es Überwindung kosten kann.

Hamburg. Ein überwiegender Teil der Erwachsenen hat dazu eine Erinnerung. Vielleicht eine, die noch heute peinlich berührt. Oder grinsen lässt. Manche verstummen auch. Denn Aufklärung, das Zurückdenken an „das Gespräch über Bienchen und Blümchen“, löst Gefühle aus. Viele Tabus lasten darauf, in welcher Form und Intensität wir selbst aufgeklärt wurden. Das Sprechen über die „natürlichste Sache der Welt“ und fällt auch heute vielen schwer.

Was ist der richtige Weg dazu, den eigenen Kindern zu erklären, wie das mit der Fortpflanzung, dem eigenen Körper, Sexualität, Grenzen und besonderen Körperstellen so ist? Und wann, welches Alter für welche Info? Fragen, die Christiane Kolb kennt. Denn sie hat sich die Aufklärung von Kindern zu ihrem Herzensthema gemacht: Noch mal Sexualwissenschaften studiert, Texte und Broschüren veröffentlicht und darüber jüngst ein ganzes Buch geschrieben. „Aufklärung von Anfang an – Mit Kindern über Körper, Gefühle und Sexualität sprechen. Für Eltern von Kindern von 0 bis 10“, so der Titel.

Aufklärungs-Buch: Sexualpädagogin lässt kein brisantes Thema aus

War nötig, sagt Kolb: „Ich habe dann geschaut, was gibt es denn da für Eltern? Und es gibt wahnsinnig wenig. Also es gibt ganz viele tolle Kinderbücher inzwischen, Bilderbücher, auch zur Aufklärung. Aber für Eltern, die sich fragen ,Was mache ich denn nun mit diesem Thema?’ habe ich sehr wenig gefunden. Deshalb schrieb sie selbst und ließ keines der brisanten Themen aus: Vom Pornofilm, der auf dem Schulhof bei Grundschülern kursiert, über die passende Bezeichnung der Geschlechtsteile, psychosexuelle Entwicklung, gute Regeln für Doktorspiele und Selbstbefriedigung.

Wenn Christiane Kolb über Penis und Vulva spricht, Eichel und äußere wie innere Vulvalippen benennt, dann transportiert sie das fragile Thema mit Natürlichkeit und Offenheit – vielleicht auch, weil sie selbst Mutter zweier Mädchen ist. „Ein Punkt war sehr, sehr lustig“, erzählt Kolb. „Genau, als ich das Modul vor ein paar Jahren im Studium hatte, bin ich in ein kindliches Doktorspiel bei einer befreundeten Familie geplatzt. Da habe ich auch selber und im Gespräch mit meiner Freundin, der Mutter, festgestellt, das ist jetzt überhaupt nicht einfach.“ Was sage ich wann dazu? Lasse ich das weiterlaufen? Muss ich was dazu sagen? Das waren die Impulse, die ihr damals sofort durch den Kopf schossen.

„Die beiden waren hinterher ganz fröhlich – und wir Erwachsenen standen auf dem Schlauch.“ Woher finde ich jetzt raus, was ich meinem Kind wirklich auf Augenhöhe sagen kann? „Man möchte ja auch nicht, dass irgendwelche Gefühle verletzt werden oder etwas ausgesprochen wird, an das sich die Kinder später negativ erinnern“, sagt Kolb.

Aufklärung von Kindern: Sexualpädagogin plädiert für klare Sprache

Aus ihrer Erfahrung heraus machten Eltern heute schon vieles intuitiv richtig. „Eine wichtige Erkenntnis ist auch, dass vieles rund um Sexualität und Körper, also Sexualerziehung, gar nicht mit so viel Worten passiert und gar nicht in sexuellen Situationen, sondern eher nebenbei und durchs Vorleben und Achtsam-Sein.“ Kolb plädiert dafür, nicht den einen Zeitpunkt für „das Aufklärungsgespräch“ anzusetzen, sondern die Informationen immer wieder einfließen zu lassen.

Und wie benennen? Am besten die medizinischen Begriffe auszusprechen vergeben: „Wenn die Worte anfangen und der Popo seinen Namen bekommt, dann kann auch der Penis seinen Namen bekommen und auch die Eichel und irgendwann auch die Klitoris. Viele schrecken da zurück. Aber warum? Die Kinder wissen, wer Brachiosaurus und Brontosaurus sind, aber nicht was eine Vulva ist.“

Um das zu ändern geht die Sexualwissenschaftlerin in Kitas und spricht dort mit Eltern und Pädagogen (www.lieben-lernen.info). Auch über die Scham. Über Gelerntes aus anderen Kulturkreisen, Ressentiments, Blockaden. „Es ist so, als wenn wir vom Einer ins kalte Wasser springen“, sagt sie. „Ich finde aber auch, dass es gut ist, wenn Eltern ihre eigene Scham erkennen und achten.“

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Hamburg