Hamburg (dpa/lno). Die brutale Niederschlagung der Proteste im Iran und der Mut der Menschen, die sich gegen die Regierung auflehnen, sorgen für emotionale Momente und viel Solidarität in der Bürgerschaft. Gestritten wird über die Flüchtlingspolitik.

Vor dem Hintergrund großer Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen hat die Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft dem Senat Versäumnisse vorgeworfen. Rot-Grün habe keine Lehren aus der Flüchtlingskrise von 2015 gezogen, waren sich CDU, Linke und AfD am Donnerstag in der Aktuellen Stunde einig. Es sei absehbar gewesen, dass durch den russischen Angriff «immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine ankommen», sagte der CDU-Sozialpolitiker Andreas Grutzeck. Es habe sich aber gezeigt, dass der Senat mit ihrer Aufnahme und Unterbringung überfordert sei. Jahrelang seien in Hamburg Unterkunftsplätze abgebaut worden, sagte Carola Ensslen von den Linke: «Wie kurzsichtig.»

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sagte, «wir sind wieder mitten in einem 2015». Das Versprechen, alle Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen, nannte er «Größenwahn». Zunächst müsse Platz für die Aufnahme neuer Menschen geschaffen werden. «Wir brauchen einen Doppelwumms bei der Abschiebung», forderte er. Seine Fraktion hatte die Debatte unter dem Titel «2015 ist zurück! Rot-Grün versagt bei historischer Flüchtlingswelle» auf die Tagesordnung gesetzt.

Abgeordnete der anderen Parteien warfen der AfD vor, sich auf Kosten der Flüchtlinge profilieren zu wollen. «Dass ihr Weltbild einfach ist wie auch schlicht, dass wissen wir», sagte Sören Schumacher von der SPD. Sein CDU-Kollege Grutzeck beendete seine Rede mit zur Merkel-Raute geformten Händen und sagte an die AfD gewandt: «Wir schaffen das.»

Hamburg stehe vor großen Herausforderungen, sagte Schumacher, die es solidarisch zu meistern gelte. «44.000 Menschen befinden sich in öffentlicher Unterbringung, bald werden es 50.000 sein.» Jeden Tag kämen 80 bis 100 weitere Menschen aus der Ukraine in die Stadt, 50 weitere pro Tag aus anderen Staaten. «Auch diese Menschen brauchen Unterstützung und Hilfe.»

Die vorübergehende Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen oder Containern sei in dieser Situation nicht schön, aber nötig. «All das ist besser, als die Menschen ohne Obdach zu lassen», sagte Schumacher. Nun müsse «in jedem Stadtteil nach Flächen und Gebäuden gesucht werden».

«Solidarität und Humanismus zeigt sich in Zeiten der Krise», mahnte Michael Gwosdz von den Grünen. Daraus ergebe sich auch «eine Verpflichtung, die Menschen aufzunehmen und ihnen einen sichere Unterkunft zu bieten».

Für viel Emotionen sorgte anschließen die zweite, von den Grünen zur Aktuellen Stunde angemeldeten Debatte. Eindringlich rief die Landesvorsitzende Maryam Blumenthal zur Solidarität mit dem «mutigen Widerstand» im Iran auf. Unter Tränen und Schluchzen forderte sie, die Frauen, Mädchen und alle anderen Menschen, die seit Wochen im Iran trotz des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte und bereits vieler Toter gegen das menschenverachtende Regime auf die Straße gingen, nicht allein zu lassen.

«Sie kämpfen nicht für irgendwelche Reförmchen oder Reformen, sie wollen diese islamische Republik nicht mehr, sie wollen diese Diktatur nicht mehr», sagte Blumenthal. Diesen Menschen müsse geholfen werden. Sie forderte einen Abschiebestopp in den Iran. «Wir brauchen die Ausweitung der Sanktionen gegen die Regierung, nicht gegen das Volk.» Die Täter müssten bestraft werden. «Keine Freiheiten für diese Mörder!» Nach ihrer Rede erhielt die Grünen-Landesvorsitzende langen Applaus und Zustimmung von den anderen Fraktionen - nur auf den Sitzen der AfD wurde kein Beifall geklatscht.

«Frauen - Leben - Freiheit» forderte auch die SPD-Abgeordnete Gabriele Dobusch. Noch am Rednerpult stehend setzte sie eine Schere an und schnitt sich eine Haarsträhne ab. Weltweit demonstrieren derzeit Frauen so ihre Solidarität mit den iranischen Demonstrantinnen.

Hamburg schiebe schon seit Jahren nicht mehr in den Iran ab, betonte Innensenator Andy Grote (SPD). Deshalb unterstütze er auch einen bundesweiten Abschiebestopp. Der Iran sei eines der «archaischsten und brutalsten Unterdrückungssysteme» weltweit. «Die Unruhen im Iran sind die schwersten seit vielen Jahren und wir hoffen, dass es auch die wirkungsvollsten sind», sagte Grote.