Hamburg. Mit dem vorzeitigen Einzug in die K.o.-Phase des Davis Cups haben die deutschen Tennis-Herren gezeigt, dass sie auch ohne Alexander Zverev zur Weltspitze gehören. Das ist gut so, denn der verletzte Star des Teams wird wohl auch beim Finalturnier fehlen.

Der verletzte Alexander Zverev grinste dick eingepackt im schwarzen Kapuzenpulli in der Box, das unüberwindbare Wunder-Doppel genoss im kühlen Hamburg den wärmenden Applaus der 5000 Fans. Kevin Krawietz und Tim Pütz haben die deutschen Tennis-Herren zum Gruppensieg im Davis Cup geführt. Das weiterhin ungeschlagene Duo sorgte beim 2:1 gegen Australien am Sonntag für den entscheidenden Punkt. Zum Auftakt des Finalturniers Ende November in Málaga trifft Deutschland damit auf Kanada.

«Wir waren nie die besten in unserer Altersgruppe in Deutschland, gehörten nie zur absoluten Weltspitze. Der Davis Cup ist etwas besonderes für uns, er holt das Beste aus uns heraus», sagte Pütz nach dem 6:4, 6:4 gegen die Wimbledon-Sieger Matthew Ebden und Max Purcell. In acht gemeinsamen Auftritten im Davis Cup hat das deutsche Duo nie verloren.

Schon vor dem starken Abschluss der Gruppenphase waren die Gedanken von Michael Kohlmann teilweise bei der spanischen November-Sonne. Im Final 8 wollen die deutschen Herren dasselbe emotionale und erfolgreiche Tennis zeigen wie in der Heimat - auch ohne ihren verletzten Star Zverev. «Unser Ziel ist es nicht, nur eine Runde in Málaga zu gewinnen, sondern wir fahren dahin, um ganz weit zu kommen», sagte Kohlmann der Deutschen Presse-Agentur.

In Málaga ist der Weg ins Endspiel bereits vorgezeichnet - und man geht Top-Favorit Spanien aus dem Weg. Bei einem Sieg gegen Kanada trifft man auf die USA oder Italien. Die womöglich mit dem Weltranglistenersten Carlos Alcaraz und Superstar Rafael Nadal antretenden Spanier würden dann erst im Finale warten. Kohlmann sind die Gegner vorerst ohnehin egal. «Ich wüsste keine Mannschaft, vor der wir uns verstecken müssten», sagte der 48 Jahre alte Teamchef. Man wolle sich auf die Fahnen schreiben, für jedes Land ein unangenehmer Gegner zu sein.

Dazu braucht es dann nicht einmal den am Fuß verletzten Zverev. «Wir wissen im Moment noch nicht genau, wie lange Sascha ausfällt», sagte Kohlmann. «Wir müssen da abwarten. Es ist für ihn wichtig, seinen Weg zu finden. Nicht zu früh anzufangen, sich auf sich zu konzentrieren und sich körperlich in die Verfassung zu bringen, Top-Leistungen zu bringen. Wenn das mit dem Davis Cup passen würde, wären wir sehr froh.»

Der Mannschaft hilft Zverev auch als Fan. «Ich bin sehr froh, dass er Teil des Teams ist und wir während des Spiels Augenkontakt haben können. Das hilft enorm», sagte Jan-Lennard Struff. Der 32-Jährige gewann - mit oder ohne Augenkontakt - am Rothenbaum alle drei Einzel.

In den Worten von Kohlmann und Struff schwingt zwar leise Hoffnung mit, doch realistisch planen kann Kohlmann mit seinem besten Spieler nicht. Selbst wenn der 25-Jährige sich von seinem Knochenödem erholt, wird ihm monatelange Spielpraxis fehlen. «Gerade ist es wichtig, dass Sascha auf sich guckt und die Zeit nutzt, dass er bald wieder dabei ist», betonte Kohlmann. In Spanien dürfte der 48-Jährige in den Einzeln wie schon in Hamburg auf Struff und Oscar Otte vertrauen.

Zumal das Duo dann auf einem besseren Niveau sein wird. Struff holte sich durch die Siege in Hamburg Selbstvertrauen nach einem bisher missratenem Jahr, in dem er in der Weltrangliste auf Platz 132 abgestürzt ist. Und Otte ist ohnehin erst kürzlich von einer Knie-OP zurückgekommen. «Bei Oscar wird es von Match zu Match besser und er wird im November auf einem anderen Level sein», sagte Kohlmann.

Und dann ist da ja noch das Erfolgsdoppel. Krawietz und Pütz holten bei allen Siegen in Hamburg den jeweils entscheidenden Punkt. Auch, wenn da manchmal etwas Glück dabei war. «Wir hatten den Davis-Cup-Gott auf unserer Seite», sagte Krawietz. Und Pütz gab einen kleinen Einblick in das Erfolgsgeheimnis des Duos, das seine ersten acht Davis-Cup-Spiele alle gewann: «Vielleicht hilft es auch, dass wir auf der Tour nicht zusammen spielen, dass es immer was Frisches ist.»

Diese Frische sollte sich mindestens bis Málaga halten. Und da man den ganz überragenden Nationen wie Gastgeber Spanien zum Auftakt des Finalturniers aus dem Weg geht, sind Ansprüche durchaus legitim. «Wir haben uns in den letzten Jahren immer weiterentwickelt», betonte Kohlmann. «Letztes Jahr waren wir im Halbfinale, dieses Jahr ist es wieder mindestens das Viertelfinale.» Mindestens.