Kiel (dpa/lno). «So viel Normalität wie möglich» will Bildungsministerin Prien im neuen Schuljahr. Alle Fächer sollen im Norden in Präsenz unterrichtet werden. Vor allem eines steht im ersten Halbjahr im Blickpunkt.

Mit Präsenzunterricht in allen Fächern startet am Montag das neue Schuljahr an den 795 allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen Schleswig-Holsteins. Bildungsministerin Karin Prien setzt nach den Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie auf «so viel Normalität wie möglich». «Ich bin sehr froh, dass wir das Schuljahr in Präsenz beginnen können und dass wir in diesem Jahr auch wieder die Einschulungen in den Grundschulen und den weiterführenden Schulen miteinander feiern können», sagte die CDU-Politikerin am Mittwoch.

Für 278.200 Kinder und Jugendliche startet kommende Woche an den 759 allgemeinbildenden Schulen das neue Schuljahr. Das sind 2500 Schüler mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Berufsschülerinnen und -schüler blieb mit 83.500 konstant. «Im Herbst und Winter müssen wir der Lage angepasst unter Umständen mehr Schutzmaßnahmen ergreifen. Aber es gilt auch dann die Prämisse: Die Schulen bleiben geöffnet», sagte Prien.

Der Schulalltag mit persönlichen Kontakten sei «unabdingbare Voraussetzung für das erfolgreiche Aufholen von Lernrückständen», sagte Prien. Ein entsprechendes Programm läuft bis Ende des Halbjahres weiter. Für den Vertretungsfonds stehen bis Jahresende rund 20 Millionen Euro für zusätzliches Personal und Lerncoaching bereit.

Derzeit fehlen aber noch Lehrkräfte: Das betrifft Prien zufolge vor allem sogenannte MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sowie regional die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg. An den allgemeinbildenden Schulen sind landesweit noch 211 Stellen offen. Das seien aber deutlich weniger als im Vorjahr, sagte die Bildungsministerin. Zu Beginn des vergangenen Schuljahres waren noch rund 250 Stellen frei. Rechnerisch sind derzeit knapp 99 Prozent aller Stellen besetzt.

Insgesamt gibt es 19.564 Vollzeitstellen für Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen. Auf 1903 von ihnen wurden für das neue Schuljahr 2882 neue Lehrkräfte befristet oder unbefristet eingestellt. Im Vergleich zum vergangenen Schuljahr gibt es 235 zusätzliche Stellen, sagte Prien. An den 393 Grundschulen waren zuletzt noch 67 Stellen offen, an den 85 Förderzentren 59, an den 181 Gemeinschaftsschulen 76 und an den 99 Gymnasien 9. An den Berufsschulen blieben 9 Stellen unbesetzt.

Vor dem Hintergrund der Energiekrise betonte Prien, dass die Schulen im Land prioritär versorgt würden. «Die Schulen bleiben offen und kein Kind wird frieren müssen.» Dennoch sollen auch dort Einsparpotenziale gefunden werden. «Diese dürfen den Unterricht aber nicht beeinträchtigen», sagte die Ministerin.

Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Astrid Henke, begrüßte die Fortsetzung des Aufholprogramms. «Uns fehlen darin aber ein stärkerer Ausbau der Schulsozialarbeit sowie die Einbeziehung der Klassenlehrkräfte.» Sie brauchten Entlastung, damit sie sich noch intensiver um Schülerinnen und Schüler kümmern könnten.

Der SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat verwies auf einen Anstieg der Exklusionsquote. Damit wird der Anteil von Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bezeichnet, die an Förderzentren unterrichtet werden. Fragen der Inklusion kämen nur noch am Rande vor. «Klassenlehrkräfte müssen endlich entlastet werden, werden es aber in diesem Schuljahr wieder nicht.» Die Grundschulen stünden mit der Einführung des Rechts auf Ganztag vor einer großen Aufgabe und in einer Phase, in der ohnehin viele Fachkräfte fehlten. «Diese Aufgaben werden sich nicht ausschließlich durch Ankündigungen und Selbstlob lösen lassen. Das erfährt schon heute, wer sich bei der Schule um die Ecke nach der Lage erkundigt.»

Der FDP-Bildungspolitiker Christopher Vogt vermisste klare Aussagen Priens zu den größeren Baustellen im Bildungsbereich. «Wir erwarten von der Ministerin jetzt zeitnah konkrete Pläne, mit denen der Betrieb der Schulen und auch der Hochschulen im Herbst und Winter so normal wie möglich gewährleistet werden kann.» Zum Präsenzbetrieb der Hochschulen im kommenden Winter fehle noch immer ein klares Bekenntnis der Landesregierung.