Hamburg (dpa/lno). Das 9-Euro-Ticket ist ein voller Erfolg, da sind sich alle einig. Nach wie vor unklar ist jedoch, wie es nach Auslaufen der Sonderaktion Ende des Monats weitergeht. Hamburgs rot-grüner Senat setzt auf eine bundesweite Lösung.

Hamburgs rot-grüner Senat setzt in der Diskussion um eine Nachfolgeregelung für das Ende des Monats auslaufende 9-Euro-Ticket auf eine bundesweite Lösung. «Ich möchte, dass der öffentliche Nahverkehr einfach benutzbar ist, niedrigschwellig benutzbar ist, dass das Thema digital angeboten wird und dass wir dann zu einem Ticket kommen, das zweistufig funktioniert», sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) am Dienstag in Hamburg. Die eine Stufe beziehe sich auf Normalzahler, die andere auf Menschen im Leistungsbezug oder Kinder. Konkrete Ticketpreise nannte er nicht, betonte aber: «Wir brauchen eine einheitliche deutschlandweite Flatrate für den öffentlichen Nahverkehr.»

Das 9-Euro-Ticket ist eine Sonderaktion zur Entlastung von Millionen Fahrgästen in der Energiekrise. Die Aktion läuft Ende des Monats aus. Für Hamburg selbst plant der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) zwar aktuell keine Verlängerung des 9-Euro-Tickets, möchte aber den positiven Schwung mitnehmen, wie HVV-Geschäftsführerin Anna-Theresa Korbutt sagte. Deshalb biete der HVV erstmals in der Geschichte ein Gewinnspiel an, bei dem 999 Vollzeitjahresabos für je 9 Euro im Monat verlost würden. Die Tickets seien vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. September 2023 im gesamten HVV-Gebiet gültig. Mitmachen könne jeder.

Das 9-Euro-Ticket selbst ist nach Einschätzung von Verkehrssenator Tjarks ein voller Erfolg. Abgesehen vom niedrigen Preis biete es wegen seiner bundesweiten Gültigkeit einen sehr leichten Zugang zum öffentlichen Nahverkehr. Sämtliche teils komplizierte Tarifsysteme entfielen. «Man könnte auch für den FDP-Verkehrsminister (Volker Wissing) sagen, wir haben einen bombastischen Gewinn an individueller Freiheit.» Korbutt betonte, durch das 9-Euro-Ticket entfielen in Hamburg und Umgebung vier bis fünf Millionen Autofahrten pro Monat.

Bundesweit seien im Juni, Juli und August bislang 31 Millionen Tickets verkauft worden, 1,8 Millionen allein in Hamburg, sagte Tjarks. Hinzu kämen in der Hansestadt 680 000 Abonnenten, deren Monatskarten automatisch umgestellt worden seien. «Das bedeutet, fast jeder zweite Mensch im Verbund hat ein entsprechendes Ticket.» Mehr als die Hälfte der Tickets seien dabei digital abgesetzt worden. Die Folge: Im Juni 2022 sei erstmals das Fahrgastaufkommen vom Vor-Corona-Juni 2019 übertroffen worden. «Wir liegen wieder bei über 100 Prozent.» Allein von Mai auf Juni sei die Auslastung um 20 Prozent gestiegen.

CDU-Fraktionschef Dennis Thering forderte erneut eine dauerhafte Einführung des 365-Euro-Jahrestickets. «Für einen Euro am Tag Busse und Bahnen nutzen - die Stadt Wien zeigt seit langem, dass das funktioniert und der Anteil von Bussen und Bahnen am Mobilitätsmix dadurch deutlich gesteigert wird», sagte der Oppositionsführer in der Hamburgischen Bürgerschaft. Das Rückgrat der umweltfreundlichen Mobilität könne nur der HVV sein, die Fahrradstadt sei es nicht. «Vor dem Hintergrund der positiven Erfahrung mit dem 9 Euro Ticket sollte eine deutschlandweite Gültigkeit im Nahverkehr geprüft werden und der Bund seinen Teil zur Finanzierung beitragen», sagte Thering.

Der SPD-Verkehrsexperte Ole Thorben Buschhüter sagte, die Mobilitätswende könne nur bei einem kräftigen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs gelingen. «Günstigere ÖPNV-Tarife dürfen deshalb nicht zulasten des Infrastruktur- und Angebotsausbaus gehen.» Bei der Finanzierung stehe weiterhin der Bund in der Verantwortung.

Kritik am Verkehrssenator kam von der FDP-Abgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein. Statt Millionen Euro in den «fahrradfokussierten Umbau der Straßenräume» zu investieren, sollte Tjarks das Geld besser für den HVV verwenden. «Der Verkehrssenator könnte auch endlich einen größeren Verkehrsverbund im ganzen Norden anstoßen. Stattdessen lässt Tjarks flapsig Gewinnspiele verkünden.» Und er scheine auch nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass in keiner deutschen Großstadt die herkömmlichen Monatstickets so teuer seien wie in Hamburg. AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sagte, die Fahrgastzahlen sprächen für sich. Doch sei das 9-Euro-Ticket dauerhaft nicht finanzierbar, «sondern lediglich kurzfristige Symbolpolitik».