Hamburg (dpa/lno). Wenn ein Strafprozess zu lange unterbrochen wird, droht er zu platzen. Durch Corona kommt es immer wieder zu teils langen Unterbrechungen. Eine dafür geschaffene Ausnahmeregelung ist ausgelaufen. In Hamburg sieht man dringenden Handlungsbedarf.

Hamburg macht sich im Bund für eine Verlängerung der Fristen für coronabedingte Prozessunterbrechungen stark. Ansonsten drohten auch in der Hansestadt Prozesse zu platzen, sagte Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. Dies könne auch Verfahren betreffen, bei denen die Angeklagten in Untersuchungshaft sitzen.

«Corona gefährdet nach wie vor die Durchführung von strafgerichtlichen Hauptverhandlungen. Kann die Verhandlung für längere Zeit nicht fortgeführt werden, droht eine Überschreitung der zugelassenen Unterbrechungsfristen», sagte die Senatorin. «Der Bundesjustizminister muss deshalb die mittlerweile ausgelaufene Ausnahmeregelung wieder einführen.»

Laut Strafprozessordnung muss eine laufende Hauptverhandlungen bei Fristüberschreitung komplett neu beginnen. Wegen der Pandemie war bereits 2020 eine Ausnahmeregelung geschaffen worden, die es erlaubte, Hauptverhandlungen für bis zu drei Monate und zehn Tage zu unterbrechen, wenn sie aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen nicht stattfinden können. Der neue Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte die Ausnahmeregelung, die ursprünglich im März auslaufen sollte, bis Ende Juni verlängert.

Auch bei den Hamburger Gerichten halte man eine Verlängerung für «dringend erforderlich», sagte Gerichtssprecherin Anne Voscherau-Schmidt. Von der Ausnahmeregelung sei etwa am Landgericht in einer Vielzahl von Fällen Gebrauch gemacht worden. «Der Neubeginn eines Strafverfahrens ist nicht nur mit erheblichen Kosten und zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden. Er läuft auch dem im Strafverfahren besonders bedeutsamen Beschleunigungsgebot entgegen und geht mit erheblichen, belastenden Folgen für Verfahrensbeteiligte - etwa durch die erforderliche erneute Einvernahme von Zeuginnen und Zeugen - einher.»

Zudem biete die Ausnahmeregelung den Gerichten die Möglichkeit, flexibel auf die dynamische Entwicklung des Infektionsgeschehens zu reagieren und den Fortgang der Strafrechtspflege auch während der Pandemie zu sichern, erläuterte Voscherau-Schmidt.