Lübeck (dpa/lno). Ein Polizist soll brisante Informationen an einen Reporter durchgestochen haben. Vor Gericht gesteht er die Vorwürfe. «Ich wollte Missstände in der Polizeiführung öffentlich machen», sagt er.

«Ich bin eindeutig zu weit gegangen.» Mit diesen Worten hat der frühere Polizeigewerkschafter Thomas Nommensen vor dem Lübecker Landgericht die gegen ihn erhobenen Vorwürfe gestanden. «Ich war immer gerne Polizist und habe immer treu zu meinem Dienstherren gestanden», sagte der Angeklagte am Mittwoch. Dem 54-Jährigen wird vorgeworfen, in 16 Fällen Polizeiinterna an einen Reporter durchgestochen zu haben. Er muss sich deshalb seit dem 20. Juni wegen Geheimnisverrats vor Gericht verantworten.

«Ich bereue meine Taten und bitte alle Kolleginnen und Kollegen um Verzeihung», sagte er in seinem bereits zu Prozessbeginn angekündigten Geständnis. «Ich wollte Missstände in der Polizeiführung öffentlich machen.»

Nommensen, der wegen der Ermittlungen gegen ihn schon seit Monaten vom Dienst suspendiert ist, ist nach eigenen Angaben seit 38 Jahren im Polizeivollzugsdienst. Seit mehr als 20 Jahren arbeite er beim Kommissariat 16 der Polizeidirektion Lübeck. «Das ist unter anderem für Fahndungen und Festnahmen zuständig», sagte er.

Bei seinem Geständnis stockt dem ehemaligen Polizeigewerkschafter wiederholt die Stimme. Immer wieder kommen ihm die Tränen. «Der Angeklagte stellt sich hier als Opfer dar, dabei ist er Täter», sagte Oberstaatsanwalt Henning Hadeler von der Kieler Staatsanwaltschaft, die die Anklage verfasst hat. Die Stellungnahme des Angeklagten zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sei in Teilen unwahr, sagte Hadeler. «Auch die Redlichkeit des Journalisten, dem der Angeklagte die Informationen verraten hat, darf bezweifelt werden.»

Für Nommensen war der Polizeireporter dagegen ein vertrauenswürdiger Partner. «Ich konnte mich stets darauf verlassen, dass er meine Informationen noch einmal nachrecherchiert und dass er sich an Vertraulichkeitsabsprachen hält», sagte der Angeklagte. Außerdem habe der Reporter neben ihm auch noch andere Quellen gehabt, von denen er Informationen bezogen habe. «Dennoch war es aus heutiger Sicht falsch, vertrauliche Informationen an ihn weiterzugeben», sagte Nommensen.

In der Anklage heißt es, Nommensen und der befreundete Journalist hätten gemeinsame Sache gemacht. Das belege unter anderem der Chatverkehr zwischen den beiden Männern («War doch wieder ein großer Spaß unser heutiges Projekt»). In einem anderen Chat wird eine weibliche Führungskraft als «weibliche Despotin» bezeichnet. Nommensens Ziel sei es nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gewesen, die von ihm verhasste Polizeiführung schlecht dastehen zu lassen.

Der Verteidiger des Angeklagten, Michael Gubitz, warf seinerseits der Staatsanwaltschaft strafbares Handeln bei den Ermittlungen gegen seinen Mandanten vor. In mindestens sieben Fällen seien Einzelheiten aus den Ermittlungsakten an die Medien gelangt, ohne dass deswegen ermittelt worden sei, sagte Gubitz.

Der Prozess soll nach Angaben von Richter Klaus Grammann am 4. Juli fortgesetzt werden. Dann sollen unter anderen ein Ermittlungsführer, ein verantwortlicher Redakteur und ein Vorgesetzter Nommensens befragt werden. Zu einem möglichen Zeitpunkt einer Urteilsverkündung machte der Richter keine Angaben.

Die Verteidigung wünscht sich eine Verurteilung zu einer Haftstrafe von unter einem Jahr. Andernfalls würde Nommensen seinen Beamtenstatus und seine Pensionsansprüche verlieren.