Hamburg. Tempo-30-Zonen gibt es vor allem in Wohngebieten - auch in Hamburg. Was Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen angeht, sind den Städten und Gemeinden die Hände durch die Straßenverkehrsordnung gebunden. Die Linke will, dass sich daran etwas ändert.

Auf 59 Prozent des Hamburger Straßennetzes gilt Tempo 30 oder weniger. Das geht aus der Senatsantwort auf eine Anfrage der Linken-Verkehrsexpertin Heike Sudmann hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Demnach liegen 1998 Streckenkilometer oder 52 Prozent des innerörtlichen Straßennetzes - also ohne Autobahnen und Bundesstraßen - in Tempo 30-Zonen. Auf weiteren 175 Kilometern oder zwei Prozent des Netzes ist das Tempo auf einzelnen Streckenabschnitten auf 30 Stundenkilometer reduziert. Hinzu kommen laut Senat weitere zwei Prozent verkehrsberuhigte Bereiche - etwa Spielstraßen.

Auf Hamburgs Hauptverkehrsstraßen darf größtenteils aber schneller gefahren werden. Nur auf 22 Kilometern oder zwei Prozent des Hauptverkehrsstraßennetzes gilt Tempo 30. Viel zu wenig, meint Heike Sudmann. "Tempo 30 nur in den Wohngebieten reicht nicht aus", sagte sie der dpa.

"An den Hauptverkehrsstraßen wohnen mehrere Hunderttausend Menschen. Auch sie haben mehr Lebensqualität verdient." Die Straßenlärmkarte der Stadt zeige, dass die Belastung gerade an den Hauptverkehrsstraßen groß sei. Tempo 30 bedeute aber nicht nur weniger Lärm, sondern auch weniger Unfälle. "Deshalb muss auch an den Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 die Regel werden", sagte Sudmann.

Dies ist laut Straßenverkehrsordnung aber gar nicht ohne weiteres möglich. Städte und Gemeinden dürfen an den Hauptverkehrsadern nur unter besonderen Bedingungen - etwa vor Schulen - 30 Stundenkilometer anordnen, und auch das nur auf Streckenabschnitten.

Die Linksfraktion fordert deshalb in einem Antrag für die Bürgerschaft den rot-grünen Senat auf, dass Hamburg der Städteinitiative "Tempo 30" beitritt, die sich dafür einsetzt, dass Städten und Gemeinden vom Bundesgesetzgeber mehr Freiraum gegeben wird. Der Antrag soll in der kommenden Sitzung des Verkehrsausschusses beraten werden.

Die Gründer der Initiative, darunter die Bürgermeister von Leipzig, Freiburg und Ulm, sehen Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen als wichtigen Bestandteil einer Strategie zur Aufwertung der öffentlichen Räume. In einer gemeinsamen Erklärung verweisen sie darauf, dass die Leistungsfähigkeit für den Verkehr durch Tempo 30 nicht eingeschränkt, die Aufenthaltsqualität in den Straßenbereichen dagegen spürbar erhöht werde.

"Die Straßen gewinnen ihre Funktion als multifunktionale Orte zurück, die mehr sind als Verbindungen von A nach B", heißt es in der gemeinsamen Erklärung, die mittlerweile von Dutzenden weiteren Städten und Gemeinden unterzeichnet wurde. Auch die Luft werde bei gutem Verkehrsfluss sauberer. "Tempo 30 ist eine Maßnahme für die Städte und Gemeinden und die Menschen, die dort wohnen - es ist keine Maßnahme, die sich gegen den Autoverkehr richtet", betonen die Initiatoren.

Auch für Sudmann liegen die Vorteile auf der Hand. Für sie stelle sich deshalb nur die Frage: "Wieso kommt ein grüner Verkehrssenator nicht von selbst auf die Idee, der Tempo-30-Initiative beizutreten?"

In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich SPD und Grüne 2020 der Vision Zero verschrieben, mit der die Zahl der Verkehrstoten weiter reduziert werden soll. "Hohe Geschwindigkeit zählt zu den Hauptursachen für Verkehrsunfälle und insbesondere für schwere Unfallverläufe", heißt es darin. Zudem sei die Geschwindigkeit "ein wesentlicher Faktor bei der verkehrsbedingten Lärmbelastung".

Deshalb wolle Rot-Grün die Einrichtung von Tempo 30-Strecken erleichtern und besonders vor Kitas und Schulen weiter ausbauen. Von flächendeckend geltendem Tempo 30 auf den Hauptverkehrsadern der Stadt steht im Koalitionsvertrag allerdings nichts. Im Gegenteil: "Auf Hauptverkehrsstraßen bleibt Tempo 50 die Regelgeschwindigkeit, die Möglichkeit von Tempo 30 ist bei mehrspurigen Straßen im begründeten Einzelfall zu prüfen", heißt es da.

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