Hamburg. Hamburgs Schülerinnen und Schüler haben in bundesweiten Leistungsvergleichen in den vergangenen Jahren aufgeholt. Die Schulbehörde will diesen Trend mit neuen Bildungsplänen weiter vorantreiben. Doch an diesen Plänen gibt es Kritik.

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat die aktuellen Bildungsplanentwürfe seiner Behörde gegen Kritik verteidigt. Es handele sich um Entwürfe, die nicht in Stein gemeißelt seien, sagte er am Mittwoch in der Bürgerschaft. Verbesserungsvorschläge würden mit Sicherheit noch eingearbeitet. 150 Verbände seien zum Dialog aufgefordert worden. "Aber wir werden uns nicht abbringen lassen von unserem Ziel, Hamburgs Kinder und Jugendliche mit einer guten und anspruchsvollen Schulbildung auf das Leben in und die erfolgreiche Teilhabe an unserer Gesellschaft bestmöglich vorzubereiten."

Die Überarbeitung der Bildungspläne ist Teil des sogenannten Schulstrukturfriedens, auf dessen Verlängerung sich SPD, Grüne, CDU und FDP vor drei Jahren verständigt hatten. Unter anderem sollen klare Inhalte für den Unterricht festgelegt und dadurch die bisherige abstrakte "Kompetenzorientierung" mit klareren Vorgaben ergänzt werden.

An den Planentwürfen der Behörde war heftige Kritik laut geworden. Unter anderem forderte die Elternkammer Hamburg, den laufenden Prozess zu stoppen. Durch die verstärkte Berücksichtigung von Klausurnoten, zusätzliche schriftliche Arbeiten in der Oberstufe sowie ein erhöhtes Anforderungsniveau in der Grundschule werde die Zukunft der Kinder gefährdet, hieß es. Kritik kam auch von der Lehrerkammer, den Grundschulleitungen und den Leitungen der Stadtteilschulen.

"Es muss unser Ziel sein, eine möglichst breite Akzeptanz zu erlangen", sagte die CDU-Bildungsexpertin Birgit Stöver. Sie kritisierte, dass der Anteil an vorgegebenen Lerninhalten in der gymnasialen Oberstufe zu hoch sei. "In der Grundschule und der Sekundarstufe I, wo die inhaltlichen Grundlagen gelegt werden, sollte der Anteil an verbindlichen Inhalten dagegen höher liegen."

Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Boeddinghaus, forderte einen Stopp des laufenden Prozesses. Eine "Verschlimmbesserung" der vorliegenden Entwürfe werde niemandem helfen. "Es müssen sich erst Öffentlichkeit, Schulen und Fachwissenschaft gemeinsam auf einen zeitgemäßen Bildungsbegriff verständigen." Die Forderung ihrer Fraktion nach einem Moratorium fand keine Zustimmung.

Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Alexander Wolf, begrüßte, dass nach Jahren einer "Abitur- und Noteninflation" in Hamburg, die mit einer tatsächlichen Leistungssteigerung wenig zu tun gehabt habe, nun eine "Rückkehr zu einer verstärken Stofforientierung" in den Bildungsplanentwürfen festzustellen sei. Die AfD stehe für ein "leistungsorientiertes und leistungsbelohnendes Lernen".

Nach der Corona-bedingten Reformpause sei es überfällig, die Ziele aus dem überparteilichen Schulfrieden umzusetzen, sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. "Ideologische Debatten von der Einheitsschule bis zu Prüfungsreduzierungen gehören in die bildungspolitische Mottenkiste."

Rabe verwies darauf, dass Hamburger Schulabgänger in bundesweiten Vergleichen zwar aufgeholt hätten, aber noch immer im Mittelfeld steckten. Zu viele Schülerinnen und Schüler scheiterten bei Bewerbungsprüfungen an Rechtschreibtests, würden im Studium abgehängt oder fänden keinen Ausbildungsplatz. "Diese Ungerechtigkeiten beenden wir nicht, in dem wir Leistungsstandards bekämpfen, Klausuren weglassen und uns bei bundesweiten Prüfungen wegmogeln." Auch für die Kinder sei es gut, gefordert zu werden. "Ich bin sicher: Leistung macht glücklich", sagte der Senator.

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