Hamburg. Mehr als 70 Anträge liegen dem Parteitag der Hamburger SPD zur Beratung vor. Doch ein Thema überstrahlt alles andere: Der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Die Hamburger SPD fordert Konsequenzen, auch was eigene Haltungen angeht.

Die Hamburger SPD hat den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste verurteilt und eine Bestrafung der Verantwortlichen verlangt. Die von Russland begangenen Kriegsverbrechen seien abscheulich, heißt es in einem am Freitagabend von einem Landesparteitag in Wilhelmsburg mit großer Mehrheit verabschiedeten Antrag. Unmittelbare Täter sowie militärische und politische Führer, "allen voran Wladimir Putin", müssten dafür gerichtlich belangt und hart bestraft werden. Zugleich müsse die Ukraine militärisch und humanitär unterstützt werden.

Auch die Bedeutung der militärischen Stärke Deutschlands müsse neu bewertet werden, sagte die Landesvorsitzende Melanie Leonhard. Die von der Bundesregierung beschlossenen 100 Milliarden Euro zur Stärkung der Bundeswehr seien auch ein sozialdemokratischer Abwägungsprozess, "wie wir uns innerhalb von Nato und in Europa positionieren wollen zur Verteidigung von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität". Dabei müsse auch jeder die eigene Position zur Bundeswehr überprüfen. "Sie wird mehr sein müssen als bewaffnete Entwicklungshelfer."

In der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine unterstützte sie den Kurs der Bundesregierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Eine generelle Frage stelle sich dabei seit dem russischen Angriff nicht mehr. "Die Debatte, ob Waffenlieferungen Gewalt verhindern oder erzeugen, ist entschieden worden am 24.2.", sagte Leonhard. Es sei auch richtig, "dass die Bundesregierung im Hintergrund darum ringt, dass wir da ein Nato-einheitliches Vorgehen bekommen." Dazu verpflichte die deutsche Geschichte. Vorschnelles Handeln sei nicht gefragt. "Es ist noch kein Frieden durch Maulheldentum in Talkshows entschieden worden", sagte sie.

Ähnlich äußerte sich die Wandsbeker Abgeordnete und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Aydan Özoguz: "Ja, wir liefern Waffen. Ja, wir liefern auch schwere Waffen, aber wir lassen uns nicht treiben und nicht provozieren."

Die EU habe der Ukraine eine Milliarde Euro für Waffenkäufe bereitgestellt, sagte der niedersächsische Europaabgeordnete Bernd Lange, der als Gastredner vor den rund 350 Delegierten im Bürgerhaus Wilhelmsburg auftrat. "Wir wollen, dass die Menschen ihr Territorium gegen die Aggression verteidigen können", betonte er. "Es ist aber auch klar, dass Waffen alleine keine Perspektive für die Zukunft sind." Zudem gelte es, zu verhindern, dass ein Nato-Staat in den Krieg hineingezogen werde.

Lange warnte auch vor negativen Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland auf ärmere Staaten in der Welt. Im Rahmen eines sechsten Sanktionspakets gegen Russland plane die EU auch einen Importstopp für russisches Öl. Um das zu kompensieren, müsse das Öl woanders auf dem Weltmarkt eingekauft werden. "Wir können uns das leisten", sagte Lange, "aber wir müssen auch gucken, welche Konsequenzen unsere Maßnahmen für weniger entwickelte Länder haben".

Ebenso müsse verhindert werden, dass Energiekonzerne die Krise nutzten, um ihre Gewinne zu steigern. "Das darf nicht sein, da müssen wir den Deckel drauf machen." Um Hunger in ärmeren Staaten zu verhindern, müsse außerdem die Exportfähigkeit der Ukraine - vor allem für Getreide - sichergestellt werden.

Bürgermeister Peter Tschentscher warnte vor den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise auch auf den Wohnungsbau in Hamburg. "Wir haben eine massive Störung der Lieferketten, die sich auf den Baubereich auswirken." Das Bauen werde immer schwieriger "und wir kommen in ganz schweres Fahrwasser". Hamburg sei durch die Wohnungspolitik der SPD-geführten Senate aber gut auf die Krise vorbereitet. "Weil wir in den letzten zehn Jahren den Wohnungsbau vorangetrieben haben, haben wir Dinge abgearbeitet, die andere noch vor sich haben."

Angesichts des im Rahmen der EU-Sanktionen beschlossenen Importstopps für russische Kohle erweise sich auch der vom rot-grünen Senat beschlossene Kohleausstieg in der Fernwärme als Vorteil, sagte Tschentscher. Dadurch würden die Fernwärmekunden in Hamburg besser gestellt als anderswo, wo noch auf fossile Energieträger gesetzt werde.

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