Kiel. Die Partei- und Fraktionschefin der SPD, Serpil Midyatli, wollte nach der verlorenen Landtagswahl in Schleswig-Holstein schnell zur Tagesordnung übergehen. Daraus wird wohl nichts. Jetzt deutet sich eine Teilung der Verantwortung zwischen Partei und Fraktion an.

Doch kein Weiter so bei der SPD in Schleswig-Holstein: Eine gute Woche nach der schweren Wahlniederlage der SPD bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein zeichnet sich an der Spitze der Fraktion ein Wechsel ab. Wie die "Kieler Nachrichten" am Montag unter Berufung auf Parteikreise berichteten, soll Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller neuer Fraktionschef im Landtag werden und Serpil Midyatli ablösen. Losse-Müller und Midyatli waren am Montag zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Ein Parteisprecher bestätigte, dass sich beide Politiker am Wochenende getroffen haben. Die Fraktion wolle ihre Fraktionsspitze am Mittwoch auf einer Klausurtagung in Hohwacht (Kreis Plön) wählen. Die SPD hatte bei der Wahl am 8. Mai eine historische Niederlage mit nur noch 16 Prozent der Wählerstimmen erlitten.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) dagegen stehen mit einem Wahlergebnis seiner Partei von 43,4 Prozent verschiedene Möglichkeiten offen. Er kann die Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP fortsetzen, was er anstrebt, oder ein Zweierbündnis mit einer der beiden Parteien eingehen.

Midyatli, die 2009 erstmals in den Landtag eingezogen war, galt als Hoffnungsträgerin der SPD im Norden. Die 46-Jährige war 2019 zur Landesvorsitzenden gewählt worden und stieg in der Bundes-SPD zur stellvertretenden Vorsitzenden auf. Nachdem sie 2021 den Fraktionsvorsitz im Landtag von Ralf Stegner übernommen hatte und damit zur Oppositionsführerin wurde, hätte sie als Spitzenkandidatin zur Landtagswahl antreten können. Stattdessen präsentierte sie kurz vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr Losse-Müller als Anwärter auf das Amt des Regierungschefs.

Das Kalkül, dass der erst kurz zuvor von den Grünen zur SPD gewechselte Kandidat schnell bekannt werden würde und Günther Paroli bieten könnte, ging nicht auf. Midyatli selbst verlor als Direktkandidatin das als sicher geltende Direktmandat in ihrem Wahlkreis Kiel-Ost gegen die weithin unbekannte CDU-Politikerin Seyran Papo (34). Die SPD gewann nicht einen einzigen der 35 Wahlkreise im Land.

Am Tag nach der Wahl kündigte Midyatli an, bereits am Dienstag (10. Mai) den Vorsitz der von 21 auf 12 Mitglieder geschrumpften Fraktion wieder übernehmen zu wollen. Losse-Müller sagte, er wolle die Fraktion nicht anführen, weil er das Gesicht der Wahlkampagne gewesen sei. Nach interner Kritik an dem schnellen Verfahren ruderten beide gemeinsam zurück und verschoben die Entscheidung auf die Klausurtagung. "Wir haben keinen Druck", sagte sie und begründete das mit der Tatsache, dass sie nicht für Sondierungs- und Koalitionsgespräche gebraucht werde.

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