Hamburg. Corona-Pandemie, Lieferschwierigkeiten, explodierende Bau- und Grundstückskosten - die Folge: Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in Hamburg ist im vergangenen Jahr eingebrochen. Wohnungswirtschaft und Mieterverein sind alarmiert.

Die Zahl der in Hamburg neu gebauten Wohnungen ist im vergangenen Jahr um rund ein Drittel eingebrochen. Insgesamt seien 7461 Wohnungen fertiggestellt worden, teilte das Statistikamt Nord am Montag mit. Das seien 3808 Wohnungen beziehungsweise 33,8 Prozent weniger als im Jahr 2020. Die Wohnungswirtschaft sprach angesichts explodierender Bau- und Grundstückskosten, coronabedingten Kapazitätsengpässen und Lieferschwierigkeiten auf dem Bau von einem erwarteten Ergebnis. "Die Zahlen sind dramatisch, kommen aber nicht überraschend", sagte der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, Andreas Breitner.

Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) sprach dennoch von einem stattlichen Ergebnis, verwies aber unter Hinweis auf den Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen auch auf einen Anstieg der Erzeugerpreise bei gewerblichen Produkten um durchschnittlich 24 Prozent. "Umso entschlossener setzen wir uns auch weiterhin für bezahlbares Wohnen in Hamburg ein - das Bündnis für das Wohnen in Hamburg steht auch in der Krise fest zusammen."

Aus ihrer Sicht gibt es angesichts der Lage auf dem Wohnungsmarkt keine Alternative zu einem intensiven Wohnungsbau. "Hamburg als Stadt für alle zu bewahren und mit mehr, vor allem bezahlbarem Wohnraum zu versorgen, bleibt unser oberstes Bestreben gemeinsam mit unseren Bündnispartnern aus der Wohnungswirtschaft", sagte Stapelfeldt.

Die Zahl der neuen Eigentumswohnungen fiel nach Angaben der Statistiker von 2623 im Jahr 2020 auf 1334 im vergangenen Jahr - ein Rückgang um fast 50 Prozent. Die Zahl der neuen Baugenehmigungen sank um 2,8 Prozent auf 9852. Hamburgs rot-grüner Senat verfehlte damit das selbst gesteckte Ziel von 10.000 Baugenehmigungen pro Jahr knapp.

Mit den neuen Wohnungen entstand den Angaben zufolge 566.740 Quadratmeter neue Wohnfläche - 293.580 Quadratmeter oder 34,1 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Die durchschnittliche Wohnungsgröße blieb mit 76 Quadratmetern im Vergleich zum Vorjahr annähernd gleich.

Die meisten neuen Wohnungen - 5941 Wohnungen beziehungsweise 85,3 Prozent - entstanden in Mehrfamilienhäusern mit mindestens drei Wohnungen. Weitere 1000 Wohnungen (14,4 Prozent) befanden sich in Ein- und Zweifamilienhäusern. Die Stadtentwicklungsbehörde betonte, 1895 Wohnungen unterlägen einer sozialen Mietpreis- und Belegungsbindung. Betrachte man nur den Geschosswohnungsbau, machten die geförderten Wohnungen rund 32 Prozent aus, entsprechend dem im Bündnis für das Wohnen vereinbarten Drittel.

Die Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft sprachen von einem Desaster für die rot-grüne Wohnungspolitik. "Der verzweifelte Versuch, den Anteil der geförderten Wohnungen schönzurechnen, indem nur der Geschosswohnungsbau betrachtet wird, ist erbärmlich", sagte die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Sudmann. Denn tatsächlich liege der Anteil der Wohnungen im ersten Förderweg bei nur knapp 21 Prozent. Sudmann forderte, städtische Grundstücke nur noch in Erbbaupacht zu vergeben und dort auch nur öffentlich geförderten Wohnungsbau zuzulassen - "etwa in der Innenstadt müssen es zu 100 Prozent Sozialwohnungen sein", sagte Sudmann.

Der Mieterverein zu Hamburg warnte mit Blick auf die niedrigsten Fertigstellungszahlen seit 2014: "Das darf jetzt kein jahrelanger Abwärtstrend werden, sondern muss ein einmaliger Ausrutscher bleiben!" Der Mieterverein sei überzeugt davon, dass Hamburg auch in Zukunft das gemeinsame Ziel von 10.000 Neubauwohnungen jährlich erreichen könne. "Die Wohnungswirtschaft muss die ausgestreckte Hand des Senats ergreifen, damit sich das Neubaudebakel in 2022 nicht wiederholt", sagte Vereinschef Rolf Bosse.

Genau damit rechnet jedoch die CDU-Bürgerschaftsfraktion. "Ich fürchte, wir sehen den Beginn eines Abwärtstrends - 2022 wird in jeder Hinsicht schwieriger: Krieg, explodierende Baukosten und weiter steigende Anforderungen an Klimaschutz im Gebäudesektor führen schon jetzt dazu, dass Bauvorhaben aufgeschoben werden", sagte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Anke Frieling. Auch in den nächsten Jahren würden es die sogenannten Normalverdienenden in Hamburg sehr schwer haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden, erst recht Familien.

Auch VNW-Direktor Breitner machte keine großen Hoffnungen. "Angesichts der zuletzt schubartig gestiegenen Baupreise sind die Aussichten nicht rosig." Wer heute neu baue, müsse angesichts der Bau- und Grundstückskosten mehr als 16 Euro pro Quadratmeter nehmen. Die Stadt sei daher gefordert, die Förderung für den sozialen Wohnungsbau zu erhöhen, die energetische Sanierung mehr zu unterstützen und auf weitere Umweltauflagen zu verzichten. Die Vermieter wollten ihre im Bündnis für das Wohnen gegebene Wohnungsbauzusage einhalten. "Sie werden es aber nicht um den Preis des eigenen wirtschaftlichen Niedergangs tun", sagte Breitner.

Ähnlich äußerte sich der Landesverband Nord des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). "Auch für die kommenden Jahre sehen wir eher niedrige Fertigstellungszahlen im Wohnungsbau", sagte Geschäftsführerin Verena Herfort. Schließlich kämen jetzt noch die Folgen des Ukraine-Krieges sowie die Veränderungen bei der KfW-Förderung hinzu.

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