Hamburg. Statt dort Wohnungen zu bauen wurde das rund 86.000 Quadratmeter große Holsten-Quartier in Hamburg-Altona nur immer weiterverkauft. Die Folge: Der Preis vervielfachte sich. Nun erwägt die Stadt selbst einzusteigen - auch, weil es Zweifel am jetzigen Eigentümer gibt.

In das seit Jahren stockende Bauprojekt Holsten-Quartier in Hamburg-Altona scheint Bewegung zu kommen. Die Stadt prüfe nun selbst einen Ankauf des rund 86.000 Quadratmeter großen Areals in zentraler Lage, das immer wieder weiterverkauft wurde. "Wir haben großes Interesse daran, dass auf dem Holsten-Areal endlich die versprochenen Wohnungen gebaut werden", sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Daher würden nun behördenübergreifend alle Optionen geprüft. "Dazu gehört möglicherweise auch ein Erwerb der Flächen durch die Stadt."

Dass der aktuelle Investor - die Adler Group mit ihrem Projektentwickler Consus Real Estate - dieses für Hamburg wichtige Projekt umsetzen könne, "muss bezweifelt werden", sagte Dressel. Der Immobilienkonzern steckt in erheblichen Schwierigkeiten, hatte zuletzt einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro ausgewiesen. Diese Summe gilt jedoch nicht als gesichert, da die Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG dem SDax-Unternehmen das Testat für die Geschäftszahlen 2021 verweigert hat. Die Adler Group hat ihren rechtlichen Sitz in Luxemburg, ihren operativen Hauptsitz in Berlin.

Eigentlich sollen im Holsten-Quartier mehr als 1200 Wohnungen entstehen, darunter rund 365 geförderte Mietwohnungen mit einer Mietpreis- und Belegungsbindung von 30 Jahren. Darüber hinaus soll es rund 335 frei finanzierte Mietwohnungen geben, von denen jeweils 50 zu einer Miete von 12,90 Euro beziehungsweise 14,90 Euro pro Quadratmeter angeboten werden sollen. Zudem sind bislang rund 370 Eigentumswohnungen angedacht. Daneben soll es unter anderem Kitas, Geschäfte, Büros und einen Handwerkerhof geben.

Tatsächlich passiert ist bislang jedoch wenig bis nichts. Das Gelände war 2016 von der Carlsberg-Brauerei ursprünglich an die Düsseldorfer Gerchgroup verkauft worden. Anschließend wurde es mehrfach weiterveräußert, ohne dass auf dem Areal gebaut wurde. Durch die Bodenspekulationen vervielfachte sich der Preis des Grundstücks. Nach Angaben der Linken-Bürgerschaftsfraktion hätte die Stadt das Areal 2016 für rund 65 Millionen Euro kaufen können. Stattdessen stehe es nun mit 364 Millionen Euro in den Adler-Bilanzen.

Entsprechend forderte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Sudmann, der Maßstab für einen möglichen Kauf durch die Stadt müsse der ursprüngliche Grundstückswert des Industriegebiets sein. Die Adler Group mit ihrem Projektentwickler Consus dürfe nicht für Spekulationen belohnt werden.

Ähnlich reagierte der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen. "Das Holsten-Quartier zeigt, die Spekulation mit Grund und Boden führt in die Unbebaubarkeit", sagte Verbandsdirektor Andreas Breitner. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei ein starkes Signal an alle Spekulanten, die Maximalprofit mit Wohnungen erwirtschaften wollten.

Eine Analyse, die Finanzsenator Dressel grundsätzlich teilt - es sei klar, dass ein Kauf nur zu einem angemessenen Preis erfolgen könne, betonte er. Wie hoch dieser tatsächlich sein könnte, ist völlig unklar.

Bislang scheint die Adler Group auch gar nicht an einem Verkauf interessiert. Es sei geplant, die Mietwohnungen nach deren Fertigstellung in den eigenen Bestand zu übernehmen und die Eigentumswohnungen an private Käufer zu veräußern, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage.

"Wir wissen um den dringenden Bedarf für zusätzlichen Wohnraum in Hamburg und werden daher alles uns Mögliche tun, das Projekt so zügig wie möglich fertigzustellen und zum Entstehen eines neuen, hochattraktiven Stadtquartiers für Hamburg beizutragen", betonte der Sprecher. Selbstverständlich sei man jederzeit bereit, hierzu in den Dialog mit der Stadt und dem Bezirk zu treten.

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