Kiel. Ein Angebot an alle Menschen - so beschreiben die Nord-Grünen ihr Programm zur Landtagswahl im Norden. Politik mit der Mitte der Gesellschaft machen, nennt Spitzenkandidatin Heinold als Anspruch. Erneut lobt sie Jamaika. Das Wahlprogramm ist ambitiös und dick.

Die Grünen in Schleswig-Holstein haben mit der Vorstellung ihres Programms und der Komplettierung ihrer Landesliste weitere Schritte zur Landtagswahl am 8. Mai gemacht. Auf einem Parteitag bekräftigten sie am Samstag das Ziel, stärkste Kraft zu werden und Spitzenkandidatin Monika Heinold zur Ministerpräsidentin zu machen. Die jüngste Umfrage von Infratest dimap für den NDR sah die Grünen mit 20 Prozent auf Platz 3 hinter CDU (28) und SPD (23).

"Wir wollen mit der Mitte der Gesellschaft Politik machen", sagte Finanzministerin Heinold. Ihre Partei stehe in der Mitte. Das Land brauche Veränderung und zugleich die Sicherheit, dass alle mitkommen können. Das Programm sei klar, zielorientiert und ein Angebot an alle Menschen. "Wir werden auf jeden Fall angreifen und wollen Platz 1 bekommen", sagte Co-Spitzenkandidatin Aminata Touré auf dem hybriden Parteitag. Das Wahlprogramm enthalte viele Ideen und Ambitionen.

Nach der jüngsten Umfrage gehe keine Koalition an den Grünen vorbei, sagte Touré. "Mit dem Wissen und mit der Stärke wollen wir gern auch in Koalitionsverhandlungen reingehen." Für die Grünen starte ein neues Zeitalter. Sie machten keine Koalitionsaussage. "Sondern wir sagen: Das ist unser Angebot und dann verhandeln wir den Spaß."

Die Ausgangslage sei sehr gut, sagte der zugeschaltete Vizekanzler Robert Habeck. Die Nord-Grünen seien eine "Zuglokomotive" für die Bundespartei. Mit Heinold und Landtagsvizepräsidentin Touré hätten sie zwei ganz starke Frauen an der Spitze der Liste. "Das kann ein richtig, richtig guter Wahlkampf werden", sagte der Grünen-Chef und Ex-Landesminister. Die Partei habe in zwei Regierungsperioden viel geschafft für's Land. 2017 mit CDU und FDP eine Regierung zu bilden, sei richtig, aber mutig gewesen. "Es hätte auch schiefgehen können."

Habeck sei damals sehr skeptisch gewesen und sie die treibende Kraft, sagte Heinold. Deshalb sei Habeck noch positiver überrascht, dass es so gut gegangen sei. "Die Menschen in Schleswig-Holstein sind mit Jamaika zufrieden - das macht mich auch ein bisschen stolz." In der Pandemie hätten die Koalitionsparteien 33 Mal am Tag die Möglichkeit gehabt, sich zu zerlegen. "Das haben wir in Verantwortung für dieses Land nicht gemacht - das spricht für uns als Grüne, das spricht aber auch für unsere Koalitionspartner."

Im Fokus stand außer der Wahl der Listenplätze 15 bis 50 - 1 bis 14 stehen schon - das Programm "Wir sind Stadt. Land. Schleswig- Holstein", das die Landesvorsitzenden Anna Tranziska und Steffen Regis vorstellten. Regis nannte es ein Regierungsprogramm für die erste von den Grünen geführte Landesregierung.

"Wir haben den Willen, die Ideen und die Erfahrung, um Schleswig-Holstein zu gestalten: klimaneutral und digital, ökologisch, sozial gerecht, inklusiv und vielfältig", heißt es im 155-seitigen Entwurf des Programms, das im Februar beschlossen werden soll. Kern sei der Schutz der Lebensgrundlagen, sagte Tranziska.

Die Grünen wollen Kitas, Schulen und Hochschulen stärken und auch Entscheidungen aus der Jamaika-Zeit korrigieren. "Wohnen muss für alle bezahlbar sein", heißt es etwa. "Daher setzen wir uns dafür ein, bezahlbaren Wohnraum in Schleswig-Holstein langfristig zu sichern und werden den teilweise sehr hohen Mieten durch die Wiedereinführung der Mietpreisbremse und der Kappungsgrenzenverordnung entgegenwirken." Diese hatte Jamaika kassiert. Der Ersterwerb einer selbst genutzten Immobilie soll mit pauschal 10.000 Euro gefördert werden.

Auch mit der Ankündigung "Wir werden ein wirksames Tariftreue- und Vergabegesetz mit einem Vergabemindestlohn von mindestens 13 Euro auf den Weg bringen", setzen sich die Grünen von Jamaika-Beschlüssen ab. Mit der Ablehnung einer Abschiebehaft ebenfalls. Das Programm enthalte 100 Prozent Grünen-Positionen, sagte Touré.

Das Land soll früher als vom Bund geplant klimaneutral werden - Mitte der 30er Jahre. Dies ist laut Touré das "revolutionärste Ziel". Verstöße gegen Naturschutzgesetze wollen die Grünen deutlich verteuern, zum Beispiel bei illegalen Rodungen für Bauvorhaben.

Obwohl das Land nur 4,4 Prozent der Fläche Deutschlands hat, soll es ab 2030 rund 10 Prozent des an Land erzeugten Grünstroms liefern. Weitere Flächen für Windanlagen seien zu erschließen. Der Anteil des Öko-Landbaus soll von 7 auf 30 Prozent steigen. Kurkarten in Tourismusorten sollen als ÖPNV-Ticket gelten. Da der Parteitag wegen der Corona-Umstände hybrid stattfand, muss die gesamte Liste zur Landtagswahl noch per Briefwahl bestätigt werden.

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