Hamburg. Im Juni wird ein 15-Jähriger von der Elbe in Hamburg mitgerissen und erst Tage später tot gefunden. Der Bruder des Ertrunkenen macht einen Freund des Jugendlichen für das Unglück mitverantwortlich - und soll mit einem Messer auf ihn eingestochen haben. War es Blutrache?

Im Prozess um eine beinahe tödliche Messerattacke nach einem Badeunfall an der Elbe hat der Beschuldigte die Tat zu einem großen Teil eingeräumt. "Ich war sauer und wollte ihn bisschen verletzen", sagte der 19-Jährige am Donnerstag zu Verhandlungsbeginn vor dem Hamburger Landgericht. Er habe aber nicht versucht, den Jugendlichen zu töten. "Ich könnte viele Methoden finden, um ihn tot zu machen. Das wollte ich aber nicht."

Der 15 Jahre alte Bruder des Beschuldigten war der Staatsanwaltschaft zufolge am 18. Juni vergangenen Jahres beim Baden in Blankenese von der Strömung mitgerissen worden. Am Tag darauf soll der Beschuldigte den besten Freund des 15-Jährigen im Stadtteil Harburg angesprochen haben. Dann habe er ihn ohne Vorwarnung an der Schulter gepackt und mit einem Klappenmesser viermal in den Rücken gestochen. Dabei habe er heimtückisch und aus niederen Beweggründen gehandelt. Die Leiche des ertrunkenen Bruders wurde erst zwei Tage nach der Tat gefunden.

Das Opfer erlitt lebensgefährliche innere Verletzungen und musste notoperiert werden. Polizisten nahmen den Rumänen wenige Stunden später zuhause fest. Danach kam er in Untersuchungshaft. Im weiteren Verlauf stellte sich aber heraus, dass er bereits in der Vergangenheit in psychiatrischer Behandlung gewesen war.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann versuchten Mord vor. Zugleich geht sie aber davon aus, dass er schuldunfähig war. Daher strebt sie eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik an. Ein Gutachten attestiert dem Beschuldigten Schizophrenie. Er bestreitet dies aber. "Ich habe keine Stimmen im Kopf. Ich will nicht in ein Krankenhaus und andauernd über meine Probleme reden", sagte er am Donnerstag. Vielmehr wolle er eine Strafe und ins Gefängnis.

Auch zum Motiv äußerte sich der 19-Jährige: "Ich dachte, er hatte die Möglichkeit, meinen Bruder zu retten, und das nicht getan. Daher war ich wütend." Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob es Rache gewesen sei, sagte er: Bereits seit seiner Kindheit wisse er, dass man sich räche, wenn etwas passiere. Es gebe aber verschiedene Arten der Blutrache: "Wenn jemand meinen Bruder mit einer Pistole umbringt, darf ich ihn töten." Bei einem Unfall dürfe er ihn nur ein bisschen verletzen. In der Haft habe er "gemerkt, dass das nicht gut war. Und es tat mir auch leid."

Zu Beginn des sogenannten Sicherungsverfahrens hatten die Verteidiger des 19-Jährigen zweimal beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Sie begründeten den Schritt damit, dass während der Beweisaufnahme höchstpersönliche Belange erörtert werden. Die Kammer lehnte das aber ab. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege in diesem Fall die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten.

Für das Verfahren sind bis Ende März sieben weitere Verhandlungstage angesetzt.

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