Wein

Ein Wein, der Geduld braucht: Der Reiz des reifen Rieslings

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Ralf Frenzel ist auch Herausgeber eines Weinmagazins.

Ralf Frenzel ist auch Herausgeber eines Weinmagazins.

Foto: Guido Bittner 

Ralf Frenzel hat schon mit 19 Jahren als Sommelier beim Sternekoch gearbeitet, heute ist er Kaufmann, Verleger – und Winzer.

Hamburg. Von Herbert Seckler, dem Inhaber der legendären Sansibar auf Sylt, stammt folgender Satz: „Heute ist es gar nicht mehr so leicht, einen schlechten deutschen Wein zu finden, früher musste man gute suchen.“ Das trifft vor allem auf Rieslinge zu, die zu dem Besten gehören, was die Wein-Welt zu bieten hat – vor allem, wenn man sie nicht sofort trinkt.

Winzer Ralf Wenzel entdeckte sein Talent mit zwölf Jahren

„Um unsere reifen Rieslinge beneiden uns die Winzer in allen Teilen der Erde“, sagt Ralf Frenzel, der diesmal in der Reihe „Vier Flaschen“ zu Gast ist und den Gastgebern – Weinkenner Michael Kutej, Rieslingliebhaber (!) Lars Haider und Apfelsaftschorlentrinker Axel Leonhard – vier „alte“ Rieslinge mitgebracht hat. „Es ist ein besonderes Erlebnis, wenn man reife Weine einmal probiert“, sagt Kutej. Über Frenzel habe das Magazin „Buchmarkt“ geschrieben, dass es wenige Menschen in Deutschland gebe, die so viel von Weinen verstehen.

Was auch daran liegt, dass er nicht nur die Mehrheit an den Weingütern Wegeler hält, sondern schon sehr früh wusste, dass er etwas mit Weinen machen wollte: „Ich habe es mit 19 Jahren geschafft, den Spitzenkoch Hans-Peter Wodarz zu überreden, mich als Sommelier in seinem Restaurant Die Ente in Wiesbaden einzustellen“, sagt Frenzel. Schon mit zwölf habe er im Hunsrück Winzern bei der Weinlese geholfen und relativ schnell gemerkt, dass er sich Geschmäcker merken kann: „Wenn es ein Talent gibt, das ich habe, dann ist es das.“

Alte Flaschen werden zur Kontrolle umgekorkt

Frenzel begann nach der Schule eine Lehre als Koch, wurde bei den großen Köchen Frankreichs vorstellig, ließ sich mit 16 Jahren eine Visitenkarte drucken, auf der stand: „Ralf Frenzel, angehender Hotelier“. Heute ist er Kaufmann, Verleger, Winzer – und eben ein Experte für reife Weine, weil seine Güter bewusst Teile eines Jahrgangs nicht sofort in den Verkauf geben.

So wie die erste von vier Flaschen, um die es heute gehen soll, den Geheimrat J Rheingau Riesling Spätlese trocken aus dem Jahr 2010. Die Flasche wurde 2019 umgekorkt, das mache man bei Wegeler nach bestimmten Zeiträumen routinemäßig, „um zu sehen, ob die Qualität noch stimmt“. Geheimrat J ist einer der ersten Markenweine in Deutschland von Relevanz gewesen, Kutej hat ihn „in allen Restaurants ausgeschenkt, in denen ich gearbeitet habe“. Leonhard fehlt beim ersten Schluck „etwas die Spannung“.

Das sei typisch für Menschen, so Kutej, die zum ersten Mal gereifte Wein probieren würden: „Wir sind es alle gewohnt, auch Rieslinge sehr frisch zu trinken, man muss sich erst daran gewöhnen.“ Frenzel findet diesen Trend, den „Jugendwahn bei Weinen“, suspekt: „Es gibt viele gute, junge Weine, keine Frage. Aber wenn wir über große Weine sprechen wollen, dann werden das immer reifere sein.“ Haider ist von dem Geheimrat J „fasziniert, für elf Jahre ist der sehr frisch“, er habe zum Glück nicht diesen öligen Beigeschmack, den man manchmal bei älteren Weinen erlebe. Kutej riecht und schmeckt Steinobst, Ananas, Bergamotte, Karamell. Der Wein hat einen Alkoholgehalt von nur 12,5 Prozent, die Flasche kostet 42 Euro.

Mit der zweiten Flasche geht es noch eine Dekade zurück und in eine der bekanntesten Lagen, die Deutschland zu bieten hat: Dem Bernkasteler Doctor Riesling aus dem Jahr 2000, ein Großes Gewächs aus der Mittelmosel-Region, sieht man sein Alter an: Die Farbe erinnert an einen Apfelsaft, sie ist einer der entscheidenden Indikatoren für die Reifung. „Man schmeckt den Alkohol fast nicht mehr, der Wein hat Saftcharakter, so weich ist er“, sagt Leonhard. Tatsächlich liegt der Alkoholgehalt bei elf Prozent, „den so niedrig zu halten ist große Kunst“, sagt Kutej.

„Die Deutschen machen die besten Weißweine der Welt“

Für Frenzel ist der Bernkasteler Doctor der einschlägige Beweis dafür, dass „wir in Deutschland die besten Weißweine der Welt machen“, früher sei die Lage die teuerste überhaupt gewesen. Entsprechend kostet die Flasche 75 Euro, „das ist nichts, was man mal so nebenbei wegsüffelt“, sagt Kutej. Der Wein würde sich geöffnet bis zu sieben Tage im Kühlschrank halten.

Zur dritten Flasche: Der Bernkasteler Badstube Riesling Kabinett 2008 von der Mosel ist seit 2021 im Verkauf, wurde also 13 Jahre zurückgehalten. „Das ist mein Wein“, sagt Axel Leonhard, der als Schorlentrinker alles mag, was fruchtig und süß ist. „Wenn man den blind verkosten würde, würde man glauben, dass er höchstens drei, vier Jahre alt ist“, sagt Frenzel. Für Kutej ist das Erstaunliche an dem Kabinett „die Ausgewogenheit zwischen Säure und Zucker, die ist elektrisierend“.

Ein Riesling, bei dem einem fast die Tränen kommen

Flasche Nummer vier ist die 2002er Oestricher Lenchen Spätlese, bei der Haider „fast die Tränen kommen. Das ist ein perfekter Wein.“ Kutej sagt es ähnlich: „Wahnsinnig vielschichtig, ohne dass irgendein Geschmack dominiert, nichts ist zu viel, nichts ist zu wenig.“ Die Spätlese sei vom Alter her ein gereifter Wein, aber nach wie vor „extrem frisch“. Und es ist erstaunlich, was Kutej alles schmeckt: „Grapefruit, Karamell, Pfirsich, Orange, Salz. Das ist 19 Jahre alt, es ist ein Luxus, dass man so etwas überhaupt kaufen kann.“ Die Flasche kostet 35 Euro.

Übrigens: Die „Vier Flaschen“ können Sie sich auch unter www.abendblatt.de/podcast anhören oder auf dem YouTube-Kanal des Hamburger Abendblatts ansehen. Im Wechsel mit der bekannten, etwa 90 Minuten langen Folge gibt es alle zwei Wochen eine schnelle Variante: In maximal 9:59 Minuten testen Kutej, Haider und Leonhard eine Flasche Wein, die unter zehn Euro kosten muss und die am Ende mit Punkten von eins bis zehn bewertet wird.

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